18.07.2021

 

Aus dem Hinterland zurück zur piste
 

Die Sonne ist wieder da, allerdings ist es noch kühl und die Luft ist sehr feucht, so dass kein Mensch weiß wie die Straßen wirklich aussehen. Wir hoffen aber auf befahrbare Straßen, Simon meint, “Das geht schon irgendwie.” und wir sollten gegen Mittag, Nachmittag nach Caaguazu fahren. Von dort möchte ich den Bus nach Yguazu nehmen, nicht zu den Wasserfällen, sondern zur Stadt Yguazu am Lago, am See, den möchte ich mir anschauen. Bis Yguazu den Wasserfällen komme ich nicht, weil da muss ich über die Grenze mit PCR Test und darauf habe ich echt keinen Bock. Die Wasserfälle kann man leider nur von Brasilien aus begehen, aber gut, es ist alles so schön und anders hier, es muss ja nicht das touristische Highlight sein.

Ein bißchen Bauchweh habe ich vor dieser Etappe, ich habe zwar schon eine Posada, ein kleines Hotel gefunden, aber es ist jetzt das erste mal, wo mich niemand abholt, niemand erwartet, und ich irgendwie mit meinem Rücksack von irgendeiner nicht vorhandenen Bushaltestelle an der Calle 42 zum Hostel finden muss. Da ich ja, wie schon mehrfach erwähnt, auch hier nicht ganz schwindelfrei bin, wird es ein interessanter Nachmittag, zumal um fünf Uhr das Licht aus ist, es dunkel ist, und wir vermutlich erst gegen halb zwei in Caaguazu sind, die Busfahrt zwei Stunden dauert, aber es geht alles, habe ich doch am Anfang der Reise gesagt und dieser Erwartungshaltung bleibe ich treu, und wenn es nicht geht, wird es gehend gemacht oder so, im Notfall penne ich auf der Straße.

Was bei den freundlichen Paraguayern eine massive Übertreibung war. hier lässt dich keiner auf der Straße stehen, hier helfen sie dir garantiert weiter.

Heute morgen wird mir mal wieder bewusst, wie weit es bis zum nächsten Nachbarn ist, dagegen sind ja meine Nachbarn direkt Tür an Tür. Immerhin, man sieht ihn, nur dazwischen führt erst mal kein so leicht begehbarer Weg, dazwischen liegt ein wenig Urwald, bzw. urwaldartiges Gelände. Es gibt Wege, kleine Trampelpfade, aber wenige und alles ist hier sehr, sehr weitläufig, der nächste Nachbar ist Luftlinie geschätzt 1,5 km, aber zu Fuß in 3-4 km nur erreichbar. Mit Auto? Keine Ahnung. Alles das muss man mögen, wenn man sich m Hinterland von Paraguay vor einer Impfung verstecken will, denn dort wo es leicht zugängig ist, wird das System wohl auch hier dafür sorgen, dass sie auch dort zuschlagen werden.

Ich schlage mir nochmal den Magen mit den paraguayischen Himbeeren voll, die zwar ähnlich wie Himbeeren ausschauen, aber etwas bitterer schmecken, aber je mehr man davon isst, desto mehr gewöhnt man sich an den Geschmack.

Ich sitze im Bus nach Yguazu, die Fahrt von Christina und Simon bis zum Asphalt war problemlos, zumindest aus deren Perspektive, ich fand es ziemlich rutschig an manchen Stellen, aber das ist hier normal. Kaum in Caaguazu angekommen fuhr der Bus los Richtung Yguazu, ich hatte nur fünf Minuten warten müssen, für die zwei Stunden Fahrt mal nach einem bequemen Sitzplatz schauen.

Was mir auffällt unterwegs, überall sind Häuser und Grundstücke zu verkaufen an der Routa 7. Direkt an der Asphaltstraße ist aber sicher keine schönes Wohnen, weil hier doch relativ viel Verkehr ist. Im Hinterland, so wie Christina und Simon, ist aber ein sehr anstrengendes Wohnen, weil keine Straßen, das ist was für jüngere und mutigere Leute. Ich bin doch wohl eher ein Weichei.

Wenn man nicht mit Geld herkommt um davon zu leben, muss man sich darüber im Klaren sein, dass hier sehr, sehr hart gearbeitet wird, hier ist manuelle Arbeit noch stark vertreten, ob beim Zuckerrohranbau oder sonstiger Feldarbeit, das geht alles manuell. Der verwöhnte Städter aus Deutschland der ohne Geld herkommen, soll sich gleich schon mal auf Rücken und Krafttraining vorbereiten, hier wird einem das Geld sicher nicht nachgeschmissen, bei den relativ niedrigen Tageslöhnen von 100.000 Guaranies.

Die Colonia Sommerfeld rund um Campo Nueve scheint sehr groß zu sein, zumindest habe ich jetzt schon öfter eine Schild „Bienvenido a Colonia Sommerfeld“ gelesen. Campo Nueve ist eine Gegend, in der die Menoniten kommerzielle, industrielle Landwirtschaft betreiben, so hat mir das Christina erzählt. Die scheuen sich auch nicht Glyphosat und ähnliche Stoffe einzusetzen, auch scheint hier Massentierhaltung gang und gäbe zu sein. Wenigstens nicht im Stall sondern freilaufend, so wie ich es beobachte. Jetzt wächst hier gerade der Mais, genauso wie bei uns. Etwas früher habe ich den Eindruck, hier schon fast erntereif während es bei uns noch 1-2 Monate dauert, aber schließlich haben wir jetzt hier Winter statt Sommer. Mais als Kraftfutter für die Milchwirtschaft, die hier sehr industriell betrieben wird, ich habe zumindest eine große Fabrik gesehen. Auch andere Fabriken sind hier in der Gegend angesiedelt, es sieht auch alles sehr ordentlich, sehr deutsch aus, wenn ich es so sagen darf. Die Menoniten gelten als sehr, sehr fleißige, aber auch sehr konservative Menschen, die hier sehr technikaffin sein sollen, laut Christina.

Aber die Gegend hier gefällt mir nicht, es erinnert mich schon sehr an Nordostdeutschland wo es auch großflächige Landwirtschaft und Monokulturen gibt. Das brauche ich jetzt nicht wirklich und ich bin froh mich schon vorher für die Weiterfahrt nach Yguazu entschieden zu haben.

Noch eine Beobachtung. In der Busstation fühlte ich mich erstmals sehr unwohl, da ein Polizist mit schwarzer Maske mich sehr kritisch anschaute und ich natürlich wie immer ohne Maske. Er schaute mich nochmal an und ignorierte mich, keinerlei Probleme. Aechz.

Noch etwas, was ich vergessen hatte: In Caaguazu, bzw. ca. 8 km von der Stadt entfernt, direkt in den Dörfern an der Sandpiste, war eine Schule, da auf auf die Schulmauer gemalt, „Maske tragen verpflichtend vor Betreten der Schule“ sie meinen es auch hier draußen wirklich ernst.

Das gefällt mir, habe ich noch nie gesehen: Eine Autobahntankstelle die in der Mitte zwischen beiden Richtungen gebaut wurde, der Verkehr geht drumherum, wer tanken will fährt in die Tankstelle rein, heißt, man braucht nur eine Tankstelle für beide Richtungen, auch ganz praktisch.

Polizeikontrolle auf der Ruta 7 oder Ruta 2, so genau weiß ich das gar nicht, Schilder findet man hier eigentlich wenig, es werden die Autos angehalten, sie wollten wohl wieder ihre Gehälter aufbessern, wenn man ohne Licht fährt, wird es teuer. Ich weiß gar nicht, wie weit ich noch von Yguazu entfernt bin, es ist irgendwie nicht so nett, Kilometerangaben wie bei unseren Autobahnen sieht man hier keine, dafür laufen hier die Hühner oder Kühe neben der Autobahn frei herum, oder auch die Menschen, je nachdem, das ist halt Paraguay, nicht das geordnete, gesittete Deutschland.

Oh, ich habe ein Straßenschild entdeckt! Noch 27 km bis Yguazu.

So, das erste Mal im freien Paraguay. Ich bin im Supermercado der Genossenschaft von Yguazu, der durch und durch mit Kameras überwacht ist, wo man nur rein kommt, wenn man ein Tuch auf der Nase hat, die Temperatur gemessen wird, und im Gegensatz zu allen anderen Orten, wo man dann im Laden das Tuch fallen lassen kann, wurde ich von einem relativ freundlichen, aber doch bestimmten Polizisten aufgefordert, mein Tuch wieder auf die Nase zu setzen, schließlich sei das hier Pflicht, denn es gäbe ja eine Krankheit. Das ich Schwierigkeiten habe zu atmen hat den Herrn nicht weiter interessiert und ich wurde angehalten mein Tuch wieder auf die Nase zu setzen. Nachdem dieser freundliche Herr eine Maschinenpistole in der Hand hatte, hatte ich wenig Lust mit ihm zu argumentieren, was vielleicht nachvollziehbar ist. Ja, so frei ist Paraguay, zumindest wenn man sich in der Stadt befindet.

Solche Situationen haben den Vorteil, dass ich mich nicht allzu traurig fühle, dass ich mich nicht allein hierher wage um ein Leben außerhalb Europas fortzusetzen. Es erinnert mich daran, dass sie überall sind.
 
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