09.03.2021

Von Andrea Drescher

Das verflixte 13. Mal

 

"Schwarze Wahrheiten“: Die Tour der oberösterreichischen Phantome nach St. Pölten und Wien am 6.3.2021

 

Zwölf Mal gab es Aufführungen der oberösterreichischen Phantome und zwölf Mal ging alles gut. Am 6.3.2021 kam es bei der 13. Performance des eingespielten Teams erstmals zu Problemen mit den Behörden. Und das nicht in Wien, wo man sich aufgrund der generell angekündigten Demonstrationsverbote an diesem Tag Schwierigkeiten erwartet hat, mit ein Grund, dass ich die Fahrt diesmal als Journalistin begleiten wollte.

Nein. Es war in St. Pölten, wo die 13. Performance nicht stattfinden sollte. Aber von Anfang an.

Der Marsch der Phantome ist ein Kunstprojekt, das den Regierenden und der Gesellschaft einen Spiegel vor Augen hält. Jeder kann sehen, worauf es raus läuft, wenn die sich abzeichnende Hygienediktatur Realität wird. Alle Phantome fordern in Gleichschritt und weißer Phantomuniform noch mehr Maßnahmen, wünschen sich Zwangsimpfung, freuen sich über Denunziationen und fordern die Bestrafung und Kasernierung Andersdenkender.

Da die Präsentation unter Einhaltung der jeweils gültigen Corona-Verordnung abgehalten wird, gab es bis dato noch nie Schwierigkeiten mit den Behörden. Abergläubige Menschen könnten auf die Zahl 13 verweisen, in meinen Augen war es aber wohl eher ein Zufall, dass die 13. Performance mit dem zunehmend rigideren Verhalten der Polizei zusammenfiel.

Die Fahrt nach St. Pölten

Schon bei der Abfahrt in Ansfelden standen Zivilpolizisten auf dem Parkplatz und schienen zu kontrollieren, wer sich da alles Richtung Bus begibt. Wir fuhren offensichtlich mit Polizeischutz, denn unser Busfahrer wies nicht nur darauf hin, dass wir Polizei in der Nähe haben, sondern auch, dass besser die Vorhänge zugezogen werden, man nicht provozieren und sich nicht provozieren lassen soll.

Im Bus gab es seitens der Organisatoren verschiedene Sicherheitshinweise, weniger zum Phantomauftritt selbst, da ist normalerweise alles gut mit den Behörden geregelt, sondern insbesondere für die Zeit nach dem Auftritt. Die Teilnehmer erhielten Tipps, wie man am besten mit der Polizei umgeht und wurden auch auf Friedlichkeit und Kooperationsbereitschaft hingewiesen. Auch auf den Umgang mit Anzeigen, die anschließend widersprochen werden können, wurde eingegangen. Die größeren Probleme erwartet man sich nach dem Auftritt, also bei dem Spaziergang durch Wien, der bis 18 Uhr möglich ist. Dann sollen sich alle sammeln, die Abfahrt war für 19 Uhr geplant. Danach folgte die Materialausgabe – sowohl neue Teilnehmer als auch neue Ordner werden mit entsprechender Kleidung ausgestattet.

Sigrid kümmert sich gemeinsam mit dem Initiator Georg Thaler darum, dass organisatorisch alles so rund läuft. Ihre Motivation? „Ich wurde im September angesprochen, was ich von der Idee halte. Da sie mir gefallen hat, habe ich sofort mitgemacht. Als es dann Anfang Januar hieß, eine Admingruppe für die Organisation zu bilden, hab ich auch gesagt, ja da mach ich mit. Mittlerweile ist es mir eine Herzensangelegenheit dass wir das organisieren, dass wir jedesmal ein Stückchen mehr zur Perfektion kommen und auf diese Art etwas bewegen.“

Dann ging der Aufruf zum Widerspruch gegen den ORF-Bericht, der die Phantome – völlig ungerechtfertigt – in die antisemitische Ecke positionierte, als Liste durch den Bus. Dass man den Vorwurf des Antisemitismus nicht auf sich sitzen lassen möchte, kann ich sehr gut nachvollziehen. Der Anlass war ein politisch ungeschickt gewählter Ort für ein Foto in Braunau. Viele der Teilnehmer der Gruppe – soweit ich sie wahrnehme und ich habe mit vielen gesprochen – sind Menschen, die bis vor kurzem völlig unpolitisch waren. Hier Antisemitismus zur unterstellen, ist einfach ein Hohn.

Ich befragte einige Mitfahrer, warum sie dabei sind – und bekam Antworten, die nur schwer ins faschistische Eck zu verorten sind.

„Der Kurs unserer Regierung geht in meinen Augen überhaupt nicht. Ich hoffe, dass wir so ein paar Menschen zusammenbringen, indem wir sie ein wenig schockieren.“ Manuel

„Weil ich einfach Demokratie haben möchte und auf keinen Fall eine Diktatur. Und ich glaube einfach dass es die einzige Möglichkeit ist, den Menschen deutlich zu machen , wie es wirklich werden kann in Zukunft wenn eine Hygienediktatur entsteht. Für mich ist es einfach extrem wichtig, dass ich etwas tue, dass ich in die Aktion gehe. Ich hab in der Gruppe auch Freunde und eine richtige Familie gefunden und das bestärkt mich einfach in der schweren Zeit.“ Jana

„Man muss sich engagieren, gerade in der heutigen Zeit in der uns die Demokratie immer weiter per Salamitaktik abhanden kommt. Die Regierung nimmt uns ein Grundrecht nach dem anderen weg. Und was ich so verwerflich finde an unserer Regierung, sie münzt Grundrecht um in Privilegien, die sie uns jederzeit nehmen kann.“ Stefan

20 Minuten vor St. Pölten kam dann die Aufforderung sich fertig zu machen, die Anzüge anzuziehen und sich auf die Performance vorzubereiten, um den reibungslosen Ablauf vor Ort zu gewährleisten. Das es beim 13. Auftritt der Phantomgruppe nicht zu einer Performance kam, kann man also nicht der minutiösen Vorbereitung des Teams zuschreiben.

Die Performance, die nicht stattfand

Alle verließen den Bus und gingen Richtung Aufstellungsfläche, wo wir schon von einer größeren Gruppe Polizisten erwartet wurden. Man nahm Aufstellung – ich hatte das Mikrofon und gab entsprechende Anweisungen – und wartete auf die Versammlungsleiterin, die die Kunstperformance in St. Pölten angemeldet hatte.

Da ich – aus gesundheitlichen Gründen – wie immer ohne Maske unterwegs war, bin ich ebenfalls wie immer freundlich auf die Polizei zugegangen, um mein Attest vorzulegen. Es macht in meinen Augen wenig Sinn auf Konfrontation zu gehen. Auch wenn ich prinzipiell zur Vorlage nicht verpflichtet bin, halte ich mir sinnlosen Ärger vom Hals und führe keine Diskussionen, da die Beamten kurzfristig leider immer am längeren Hebel sitzen. Die drei (!) Herren, die mein Attest kontrollierten, verhielten sich ganz normal und freundlich. Aber auch andere maskenlose Menschen wurden kontrolliert und es kam – leider – wie es immer wieder kommt: Die Stimmung eskalierte und der von Anfang an bereits wenig kooperative Einsatzleiter wurde besonders unfreundlich.

Man verlangte von den Phantomen, unter ihren Masken eine FFP2 Maske zu tragen, obwohl die Veranstaltung im Außenbereich stattfand, jeder Teilnehmer eine aerosol-verhindernde Phantommaske trug und die Sicherheitsabstände eingehalten wurden. Man begann die Mitglieder der Gruppe einzeln zu kontrollieren, forderte Maskenatteste, die natürlich teilweise im Bus lagen und die Stimmung kippte.

Georg Thaler versuchte zu deeskalieren, brach die Veranstaltung dann aber ab, offensichtlich war hier eine Demonstration der Macht angesagt und so dass bei einer weiteren Eskalation, der Zeitplan völlig aus dem Ruder gelaufen wäre. Was eine FFP2-Maske unter der Phantommaske noch mit Gesundheitsschutz zu tun hat, wenn man mit zwei Meter Abstand im Freien spazieren geht, um eine Performance abzuhalten, muss allerdings seitens der Verantwortlichen erst einmal erklärt werden.

Ich fand keine Antwort auf diese Frage und wendete mich daher mit meinem Presseausweis, meinen Fragen und meinem Aufzeichnungsgerät an den Einsatzleiter.

Hier das kurze Transkript des Gesprächs.

Warum wurde aus Ihrer Sicht die Veranstaltung abgebrochen?

Einsatzleiter „Wir haben nichts abgebrochen.“

Warum kam es jetzt zu Schwierigkeiten?

Einsatzleiter „Es gab Beanstandungen, da eine FFP2 Maske zu tragen ist.“

Und die Phantommaske, die undurchlässig ist wird nicht anerkannt.

Einsatzleiter „Ist keine FFP2 Maske. Genau.“

Weil sie nicht zertifiziert ist? Ist das richtig?

Einsatzleiter „Ich bin kein Techniker, es ist keine FFP2 Maske, und drunter müssen die eine FFP2 Maske tragen.“

Die Maske wurde aber bereits im März in mehreren Städten bereits anerkannt.

Einsatzleiter „Das kann ich nicht beurteilen.“

Ein Beamter, der nach den Buchstaben des Gesetzes – bzw. genauer – der Verordnungen agierte. Das hatten wir in Österreich und Deutschland alles schon mal. Es wurde auch mit Verhaftungen gedroht, falls man in der Gruppe weiter lautstarke Proteste von sich gäbe. Aber die Phantome blieben kooperativ und zogen sich zurück. Es ging – mit polizeilichem Begleitschutz – zurück zum Bus und weiter Richtung Wien.

Das war der kürzeste Phantomauftritt seit Start des Kunstprojektes. Abbruch nach Aufstellung. Aber auch das hat etwas Positives. Die Verantwortlichen in St. Pölten haben letzten Endes die Masken fallen lassen. Und das ganz offiziell. Es ging nicht um Gesundheitsschutz. Es ging um Verordnungen.

Beim nächsten Rast spreche ich mit Georg Thaler, der seine Sicht der Situation in St. Pölten beschreibt: „Wir haben ordnungsgemäß als Phantome mit den entsprechenden Phantommasken Aufstellung genommen, wir haben auch den zwei Meter Abstand eingehalten, so wie es die neue Covid Verordnung vorsieht. Bei einer ordentlich angezeigten Versammlung. Die verantwortlich Anmelderin war aber leider noch nicht vor Ort. Ich war zwar der Versammlungsleiter, bin mir aber rechtlich nicht sicher, ob ich schon anfangen hätte dürfen. Der Einsatzleiter hat mich gefragt, ob alle Personen unter dieser Phantommaske auch eine FFP2 Maske tragen. Da ich ein wahrheitsliebender Mensch bin, habe ich gesagt, dass ich das nicht mit Sicherheit sagen kann, da ja auch einige maskenbefreit wären. Er hat dann mitgeteilt, dass es entsprechende Kontrollen geben werde, und alle die dann keine Maskenbefreiung haben eine Anzeige bekommen. Wir wissen, dass diese Anzeigen verfassungswidrig sind, das hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach bestätigt. Aber da ich persönlich noch eine zweite Versammlung in Wien am Stephansplatz, bzw in der Kärntnerstraße 30 angezeigt hat, die pünktlich um 13 Uhr starten sollte, wir uns vorher noch mit Wiener Phantomteilnehmern treffen wollten, hatte ich ein Problem. Das Zeitfenster musste ich unbedingt einhalten, sonst gefährde ich die zweite Versammlung. Und Wien in der Kärntnerstraße war mir wesentlich wichtiger als St. Pölten. Aus diesem Grund habe ich dann vorzeitig die Versammlung beendet. Die Polizei hat nicht aufgelöst, sie hat mich dazu auch nicht genötigt. Aber jetzt kurzfristig FFP2 Masken zu organisieren, aufzusetzen und die Truppe entsprechend darauf einzustimmen, hätte den zeitlichen Rahmen gesprengt.“

Wien wartet auf Dich – nein – auf die Phantome

Da es den Zeitplan einzuhalten galt, ging es nach kurzer Pause weiter Richtung Wien. Im Bus erreichten uns erste Meldungen via Messenger: „Einfahrt beim Auhof nach Wien scheint gesperrt.“, „Polizeikontrolle auf der Südautobahn bei Vösendorf“. Unser Busfahrer fuhr aber bereits durch den Wienerwald. Es war eine ziemlich kurvige Fahrt quer über die Dörfer, aber es wäre gut, wenn wir durchkommen und nicht in eine sinnlose Polizeikontrolle geraten, die den zweiten Auftritt gefährdet. Und dank guter Planung kamen wir halbwegs pünktlich am Karlsplatz an und erreichen den Treffpunkt an der Albertina rechtzeitig.

Aber auch dort kam es zu Schwierigkeiten. Nach einer zunächst problemlosen Aufstellung bei der Albertina und ersten sehr kooperativen Gesprächen mit der Polizistin, die als Einsatzleiterin für uns zuständig war, wurden wir ca. 20 Meter nach Start Richtung eigentlichem Kärntnerstraße angehalten. Die Einsatzleiterin bliebt zwar weiterhin sehr kooperativ, schien selbst nicht zu wissen, warum das jetzt passierte und machte einen irritierten Eindruck. Nach ihren Aussagen wurden wir von der obersten Polizeibehörde aufgehalten und durften nicht weiter marschieren. Interventionen halfen nicht und es sah kurze Zeit danach aus, als ob es erneut Probleme geben würde.

Dann aber kam die Entwarnung. Aufgrund der Vielzahl angemeldeter, verbotener bzw. erlaubter Demonstrationen hatten die Behörden den Überblick über die Veranstaltungen etwas verloren. Das kann passieren. Es wurde geklärt, dass der Performance der Phantome genehmigt war und wir wurden seitens der sehr freundlichen Polizeitruppe mit mehreren Begleitfahrzeugen zu unserem Startpunkt in der Kärntnerstraße geleitet.

Ich gebe es zu. Ich hatte einen diebischen Spaß daran, per Megafon immer wieder auf die ungeheuren Gefahren der Pandemie hinweisen zu dürfen und die Phantome beispielsweise aufzufordern, Abstand zu den Menschen halten, die einfach ohne Maske im Freien durch die Kärntnerstraße spazierten. Alles gefährliche Superspreader. Und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch der eine oder andere der uns begleitenden Polizisten sich unter der Maske das Grinsen nicht oder nur sehr schwer verkneifen konnte.

Die Performance auf der Kärntnerstraẞe war – wie fast schon gewohnt bei den Phantomen – professionell und beeindruckend. Da auch in Wien auf FFP2-Masken bestanden worden war, wurde das Event schweigsam durchgeführt. Mit FFP2- und Phantomaske zu rufen, war zu belastend. Aber viele Zuschauer verstanden auch so, worum es ging. Die Gesichter – zumindest die der unmaskierten Zuschauer – drückten häufig Verständnis aus. Auch wenn es einige Menschen gab, die große Angst vor dem Virus zu haben schienen: die Zustimmung überwog. Zumindest in meiner Wahrnehmung.

Und auch die Phantome waren zufrieden. Gaby, die schon von Anfang an mit dabei war, meinte:„Ich finde die Performance der Phantome sehr gelungen, und sie eignet sich, Menschen aufzuwecken. Die Performance gilt als sehr überzogen, aber es sind mittlerweile viele Dinge bereits eingetroffen: Maskenpflicht allein im Freien, Pflichttesten und Pflichtimpfen für manche Berufsgruppen. Ich bin stolzes Mitglied dieser Performancegruppe, es sind tolle Menschen dabei.“

Bei der Rückkehr zum Bus begegneten uns Demonstrantengruppen, die offensichtlich vom Heldenplatz Richtung Prater unterwegs waren. Der Jubel, der den Phantomen entgegenschallte, entschädigte für den vorangegangen Ärger. Maria, die ebenfalls schon öfter dabei war, meinte dazu: „Also das war jetzt wirklich ein Supererlebnis. Die Euphorie, die man spürt, wenn wir Phantome auf andere Demonstranten treffen, das ist einfach eine tolle Sache. Auch dafür machen wir das. Das tut so gut und ist wichtig, weil sonst zur Zeit vieles nicht mehr zu ertragen ist.“

Die Rückfahrt

Nachdem sich die Phantome ihrer „Arbeitskleidung“ entledigt hatten, gingen alle auf eigene Faust – und damit auch Verantwortung – in Wien spazieren. Angekündigt war, dass bei Nichterscheinen zum geplanten Abfahrtstermin 19.00 jeder auch eigenverantwortlich für die Rückkehr zu sorgen habe. Aber es kam dann doch etwas anders.

Nach und nach tröpfelten alle ein. Fast alle. Auf Telegram kamen erste Hilferufe an. „Wir sind einkesselt.“, „Die Polizei lässt uns nicht über die Brücke.“, „Wir sind in eine Tiefgarage geflüchtet.“, „Die Polizei setzt Tränengas ein.“ – alles Botschaften, die erkennen ließen, dass mit einer ganz pünktlichen Abfahrt nicht zu rechnen war. In der Gruppe kam es nach kurzer Diskussion schnell zum Konsens: „Wir lassen keinen zurück.“. Auch wenn eigentlich alle müde waren und heim wollten, alle waren bereit eine Weile die Entwicklungen abzuwarten.

Der Jubel war groß, als es die Letzten zum Karlsplatz schafften und den Bus betraten. Die oberösterreichischen Phantome, deren Arbeit von Dr. Daniele Ganser in seinem Video vom 5.2.2021 gewürdigt worden war, bewiesen ihre Stärke als Team, worüber sich der Initiator Georg Thaler besonders freute: „Unsere Arbeit wird wahrgenommen, das ist gut so. Wir machen weiter – auch wenn es diesmal nicht ganz rund gelaufen ist“.

 

Erschienen bei Wochenblick

Erschienen auch in der Frischen Sicht

 

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