09.01.2021

Von Andrea Drescher

Verhaftet am Linzer Hauptplatz - Ein Gespräch mit Alexandra Pervulesko

 

Alexandra Pervulesko (Jahrgang 1969) stammt aus Linz, wo sie nach 30 Jahren in Deutschland wieder lebt, um sich um ihre Mutter zu kümmern. Die Mutter eines 13-jährigen Sohnes ist gelernte Schauspielerin und Sängerin und hat 2019 das Badcafe in Linz als Kulturstätte mit abendlicher Live-Musik eröffnet. Sie entspricht also nicht ganz dem klassischen Bild eines rechtsradikalen Hooligans, trotzdem wurde sie am 8.1.2021 von Mitgliedern einer Sondereinheit verhaftet, die gegründet wurde, um auf gewalttätigen Veranstaltungen in diesem Umfeld aktiv zu werden.

 


"Die Verhaftung einer Schwerverbrecherin"
In einem kurzen Interview am Folgetag schildert sie die Vorfälle, die zu ihrer Verhaftung führten, sowie den anschließenden Verlauf aus ihrer Sicht.

Wie geht es Ihnen am Tag danach?
Ich bin erschüttert, dass so etwas in meiner Heimatstadt Linz passieren kann. Es ist unfassbar. Ich war ja nicht mal mehr auf der Demonstration, sondern schon auf dem Heimweg.

Wie kam es zu Ihrer Verhaftung?
Ich war nicht mehr unter fremden Menschen, sondern hatte gemeinsam mit meiner Freundin das Gelände bereits verlassen, trug aber dennoch meine Netzmaske. In Höhe der Trafik stand eine Reihe von Polizisten, die mich aufforderten, mir eine anständige Maske aufzusetzen. Ich erwiderte, dass man in der frischen Luft keine Maske aufsetzen müsse. Sie ließen uns nicht vorbei, sondern forderten erst mich und dann meine Freundin auf, unsere Ausweise vorzuzeigen. Das haben wir selbstverständlich auch getan.

Als die Kontrolle fertig war, bat ich um meinen Ausweis, was aber von dem Polizisten ziemlich grob verneint wurde. Gleichzeitig forderte er meine Freundin auf: „Zieh dir gefälligst eine Maske auf – ein Schal ist kein Ersatz.“ Darauf fragte ich ihn, seit wann wir per du sein würden, so würde man nicht mit uns sprechen und bat ihn – immer noch höflich – sich an Anstandsregeln zu halten. Als Antwort kam nur: „Was soll ich denn sonst zu dera Dame da sagen?“ Darauf ich: „Wie reden Sie denn mit uns?“



Das war der Beginn der Eskalation, denn er kam einen Schritt auf mich zu und schrie mich an, ich solle gefälligst Abstand halten. Ich musste lachen: „Sie verlangen von mir Abstand, wenn sie auf mich zukommen – soll ich wegspringen?“, und fragte ihn nach Namen und Dienstnummer; worauf er sagte, ich solle den Mund halten.

Als Nächstes schubste er mich nach hinten, worauf auch mir die Nerven durchgegangen sind und ich ihn angebrüllt habe. In dem Moment hat er – erstmals – die Bodycam angeschaltet. Und dann ging es immer aggressiver weiter. Sie haben die Daten meiner Freundin festgehalten, ich habe mich kurzzeitig fassungslos weggedreht, weil ich alles nicht fassen konnte, habe mich aber dann wieder zu ihr gestellt. Ein anderer Kollege kam sehr nah zu mir. Den bat ich wegzugehen und hob meine Hand, um ihm zu zeigen, dass er viel zu nahe neben mir steht. Das werteten die Polizisten dann als Angriff.

Das war der Grund für Ihre Verhaftung?
Ja. In dem Moment haben sie gesagt, sie verhaften mich jetzt, haben mir die Arme nach hinten verdreht und mich wie einen Schwerverbrecher gegen die Hauswand gepresst. Ich bat den Polizisten, er solle mein verletztes Handgelenk schonen – ich habe einen Stützverband am Arm –, aber das war denen völlig egal. Obwohl ich einer Verhaftung zustimmte und ihnen sagte, dass ich mit ihnen gehen würde, sie mich aber bitte loslassen sollten, wurde von dem zweiten Polizisten noch mein anderes Handgelenk nach innen gedreht, sodass ich vor Schmerzen losschrie. Dann haben sie mich über den Hauptplatz zum Polizeibus geschleift.

Wie ging es dann weiter?
Sie haben mich an den Bus gedrückt, mir Handschellen angelegt und dabei mein linkes Handgelenk auch noch verletzt. Dann haben sich andere eingemischt, riefen „Lassen Sie die Frau los!“, und wir wurden von gefühlt 30 Polizisten abgeschottet. Als sie merkten, die Menge wird lauter, haben sie mich ins Rathaus reingezerrt. Als es hieß: „Stellt sie an diese Wand, da kann man von außen nicht einsehen“, wurde mir sehr unwohl. Ich bekam richtig Angst und dachte, jetzt wird es ernst.

Aber dann kam ein weiterer Polizeibeamter – vermutlich ein Linzer, die beiden, die mich verhaftet hatten, waren von der Sondereinheit –, der das Ganze deeskalierte. Er beruhigte mich und sorgte dafür, dass die Handschellen entfernt wurden. Durch einen Hinterhof beim Rathaus wurde ich rausgebracht, durch eine Beamtin einer Körperuntersuchung unterworfen und dann in den Polizeibus – einen Gefängnisbus mit Zelle – gesetzt. Im stockfinsteren Bus mit vergitterten Fenstern fuhren sie mich durch die Stadt. Das war ein sehr ungutes Erlebnis.

Warum?
Ich wusste nicht wohin es geht, keiner wusste, wo ich bin. Das macht Angst, sowas geht tief rein. Ich kam im Hinterhof des Polizeihauptkommissariats in Linz an und wurde in einen Container mit Zellen gebracht.

Wie waren die Erfahrungen im Kommissariat?
Soweit es die Linzer Polizei anging, durchweg korrekt. Eine Amtsärztin kam, um meine Handgelenke anzuschauen und stellte die Verletzungen durch die Handschellen fest. Auch wurde Fieber gemessen, Herz und Lunge abgehört und man hat mich nach Drogen, Alkohol und Rasierklingen befragt. Das gehört wohl zum normalen Ablauf.

Der „Brutalo“ von der Einsatzeinheit kam und meinte: „Irgendein Depp von der Demo hat grade angerufen und gibt sich als Ihr Anwalt aus.“ Später hat sich herausgestellt, dass es mein Anwalt war, den meine Freundin angerufen hat. Den wollten sie wohl nicht zu mir lassen.

Ich kam in eine Zelle und man ließ, da ich Platzangst habe, auch das Licht an. Eine Beamtin kam, um eine vollständige Körperdurchsuchung durchzuführen. Auch wenn ich nicht weiß, was sie bei mir finden wollte – sie war sehr nett, machte nur ihren Job –, es ist vermutlich auch Teil der Prozedur. Das war ja meine erste Verhaftung.

Nur die zwei, die durch ihre Eskalation und ihr Verhalten das Ganze ausgelöst hatten, waren ein Problem – wobei ich den Eindruck hatte, dass es einem von beiden leid tat. Er hat wohl selbst gemerkt, dass das aus dem Ruder gelaufen war. Aber gut – da muss man trotzdem dagegen angehen. Ich wollte mir von den beiden die Dienstnummer geben lassen, das wurde aber verweigert.

Ein junger Polizist kam dann und fragte mich, ob ich meinen Anwalt sprechen wolle. Klar wollte ich das. Wir mussten dann noch solange bleiben, bis ca. 1,5 Stunden nach meiner Einlieferung eine Juristin kam, um über meine Freilassung zu entscheiden. Sie war genauso wie mein Anwalt von der Unverhältnismäßigkeit überzeugt. Es gab keine Begründung mich festzuhalten und ich durfte gehen. Ich war mir mit meinem Anwalt einig: Das wird ein Nachspiel haben.

Was haben Sie bisher unternommen?
Heute am 9.1. habe ich zuerst die Beschwerdestelle der Landespolizei kontaktiert. Die kannten den Fall bereits, konnten meine Frage nach Namen und Dienstnummern der Beamten aber auch nicht beantworten. Mir wurde mitgeteilt, man wolle versuchen, es herauszufinden, denn selbst die Polizei Linz kennt die Verantwortlichen nicht. Die kennt nur der Zugführer von der Sondereinheit, der mich eine Stunde später anrief und erneut die Bekanntgabe der Informationen verweigerte. Ich solle auf die Anzeige warten, dann könne ich ja Beschwerde einlegen. Er meinte, es wäre ja alles mit der Kamera aufgezeichnet, ich solle mich nicht aufregen, worauf ich ihn dann gleich darauf hinwies, dass die Aufzeichnung erst nach Beginn der Eskalation gestartet worden wäre. Den Grund – das Schubsen durch den Polizisten – hatte er natürlich nicht aufgezeichnet.

Was haben Sie weiter vor?
Ich werde natürlich Beschwerde einlegen, meinen Anwalt einschalten und die Polizisten wegen Körperverletzung und ungebührlichen Verhaltens anzeigen.

Haben Sie keine Angst vor Repressalien?
Die Repressalien werden am Montag, 11.1., weitergehen, wenn ich meinen Laden wieder öffne. Aber ich bin jetzt noch mehr dazu bereit als gestern früh. Ich muss das tun, um zu überleben und mein Kind zu versorgen – aber auch um ein Zeichen für den Erhalt unserer Demokratie und Freiheit zu setzen.

Hatten Sie schon vorher unangenehme Begegnungen mit der Polizei?
Niemals in dieser Form – die Linzer Polizei ist ganz anders. Ich habe als Barbesitzerin immer wieder Diskussionen mit der Linzer Polizei, aber das ist niemals so ausgeufert. Man diskutiert – und findet eine Lösung. Das war etwas völlig anderes.

Können Sie sich das erklären?
Vielleicht hatten sie mich im Visier, weil ich auf der Bühne angekündigt habe, am Montag, dem 11.1. meine Bar zu eröffnen. Das rechtfertigt aber nichts von dem, was sie getan haben.

Ich habe gehört, dass diese Sonderheit aus jungen Burschen besteht, die sich freiwillig für solche Einsätze gemeldet haben. Die werden wohl normalerweise gegen Rechtsradikale und Hooligans eingesetzt. Wie es zu einem Einsatz auf der Demo am Linzer Hauptplatz kommt, wo viele Omas, Kinder und Hunde dabei sind, Menschen, die schon seit 36 Wochen ihre Friedlichkeit bewiesen haben, kann ich mir nicht wirklich erklären.

Allerdings: Es ist das dritte Mal, dass der ORF in Linz am Hauptplatz war, und es ist das dritte Mal, dass die Polizei anders agierte als sonst. Ob das ein Zufall sein kann?

Eines ist aber auch sicher: Wir müssen uns unbedingt weiter friedlich zur Wehr setzen. Denn diese Aktion hat zeigt: Es kann jetzt jeden treffen.

Vielen Dank für Ihren Mut!

 

Erschienen bei Frische Sicht

 

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