17.01.2023

Von Andrea Drescher

Heimeinweisung, Psychiatrierung & Zwangsimpfung: keine wirklich neuen Themen?

 

Nicht ganz zu Unrecht wurde kritisiert, dass im Fall der geplanten Psychiatrierung & Zwangsimpfung von Inna Zhvanetskaya der Fokus auf ihre jüdische Herkunft gelegt wurde. Zweifelhafte Psychiatrierung & Zwangsimpfung waren und sind immer ein Verbrechen – unabhängig davon, welche Religion, Ethnie oder Nationalität der Betroffene hat.

 

Meinem Gefühl nach ist diese Vorgehensweise aber im Zusammenhang mit einer Jüdin tatsächlich noch empörender. Nicht auf ihren individuellen Fall bezogen, aber gesellschaftlich betrachtet. Dass so etwas mit einer Jüdin ausgerechnet in Deutschland möglich ist, sprengt gesellschaftlich die Grenzen. Es zeigt, dass nicht der Hauch einer Reflexion seitens der Verantwortlichen vorhanden ist. Die internationalen Medienreaktionen zeigen, dass das im Ausland nicht anders gesehen wird. Fox News berichtete, selbst das New Yorker Medium New York Music Daily griff den Fall auf. Aus Israel kamen u.a. Berichte der Jerusalem Post und der Nachrichtenagentur JNS.

Ich habe den sehr bösen Titel „Zwangsimpfung von Juden – „gute deutsche“ Tradition?“ auch ganz bewusst gewählt, um eine maximale Sichtbarkeit zu erzeugen. Denn eines war sehr schnell Konsens: nur die Öffentlichkeit kann diese alte Dame schützen. Im Marketing nennt man das „Clickbaiting“ – aber welche anderen Mittel haben vergleichsweise kleine Online-Portale denn sonst im Vergleich zum Mainstream? Und auch dort wird mit entsprechenden „Reißern“ gearbeitet.

Böse gefragt: glaubt jemand, dass der Fall internationales Interesse geweckt hätte, wenn es sich nicht um eine Holocaust-Überlebende gehandelt hätte? Denn „natürlich“ wurden alle, die wie Report und TKP über das Schicksal von Inna Zhvanetskaya berichtet haben, als Rechte, Antisemiten und Querdenker geframt, die eine alte Dame für ihre Zwecke instrumentalisieren würden. Jetzt aber hat die Jerusalem Post den Fall aufgegriffen und auch von jüdischen Gemeinden hört man erste vorsichtige Kritik. Man darf neugierig sein, wie der deutsche Mainstream damit umgeht. Einen Redakteur der Jerusalem Post als rechten Antisemiten zu bezeichnen – soweit geht man in Deutschland selbst 2023 dann wohl doch (noch) nicht.

Böse gesagt: es ist ein Glücksfall, dass es eine jüdische alte Dame „erwischt“ hat, denn das Schicksal alter Menschen, fand bis dato wenig Interesse in der breiten Öffentlichkeit. Abgesehen von dem mantraartig wiederholten „Wir müssen die Alten schützen, darum müssen wir uns alle impfen lassen“, kann ich eigentlich nicht sagen, dass das Leben alter Menschen wirklich von allgemeinem Interesse ist.

Kaum jemand im Mainstream hat bis jetzt wirklich kritisch hinterfragt, wie es plötzlich zu einem Überschuss im deutschen Rentensystem von 2,1 Milliarden Euro kommen kann, nachdem es in der Vergangenheit große Defizite gab. 2022 herrschte keine todbringende Pandemie mehr und insbesondere alte Menschen in Heimen und mehrheitlich ihre Betreuer waren ja durch die „hervorragende Impfung“ schnellstmöglich und bestmöglich geschützt. Ob und inwieweit diese Impfungen freiwillig waren, sei dahingestellt. Es hing wohl auch davon ab, inwieweit die jeweilige Betreuung agierte. Ich habe von mehreren Fällen gehört, in denen Betroffene, aber auch deren Angehörige, de facto überrumpelt wurden und dass die Spritzen ohne jedwede kompetente Impfaufklärung gesetzt wurden. Mit welchen Folgen auch immer: der Elefant steht im Raum.
Die Situation in den Heimen

Der Betreuungschlüssel in Alten- und Pflegeheimen wurde – meines Wissens – in den letzten Jahren nicht erhöht. Auf der Seite www.statista.de findet man das „Marktvolumen“ in der ambulanten und stationären Pflege in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2030. Während der Umsatz 2000 noch bei 17 Milliarden lag, könnte das Marktvolumen in der stationären Pflege deutschlandweit auf rund 42,7 Milliarden Euro im Jahr 2030 ansteigen. Auch wenn es sich hier um eine Statistikseite handelt: die Sprache zeigt, worauf es hinausläuft. Es ist ein Geschäft, das ebenso wie die medizinische Versorgung in Krankenhäusern zunehmend von privaten – d.h. gewinnorientierten – Trägern betrieben wird. Die Pflegeschlüssel der Heime lassen meines Wissens keine qualifizierte Betreuung zu, das Personal ist überall überlastet – auch durch einen überraschend hohen Krankenstand, trotz der Impfpflicht im Gesundheitswesen.

Wie viele alte Menschen aufgrund der Betretungsverbote nicht zuletzt auch an Vereinsamung starben, lässt sich nicht quantifizieren. Die Aussagen von vielen Angehörigen, die man in mutigen Medien teilweise findet, sprechen eine deutliche Sprache. Bestreiten wird es aber wohl keiner, dass der Lockdown für viele zum Verlust des Lebensmutes geführt hat.

Das Schicksal alter Menschen – insbesondere in Heimen – ist also nicht erst seit Corona eine Katastrophe, die ein mental gesunder Mensch wie Inna Zhvanetskaya längstmöglich zu vermeiden trachtet. Und die Tendenz, alte Menschen in Heime abschieben – pardon übersiedeln – zu wollen, ist ebenfalls nichts Neues.

Ich sprach mit einer Mitarbeiterin aus der geriatrischen Pflege, die sich – als sie vom Schicksal von Inna Zhvanetskaya erfuhr – sofort an einen Fall erinnerte, der sich bereits im Jahr 2010 ereignete aber nicht tragisch verlief.
Erfahrungen aus der Altenbetreuung

Können Sie sich bitte kurz vorstellen?

Mein Name ist Claudia Kissel-Steinbeck, Jahrgang 1956 und bin examinierte Arzthelferin. Als medizinische Fachangestellte komme ich aus dem Praxisbetrieb und war 46 Jahre im Gesundheitswesen tätig. Es gab nur eine kurze Unterbrechung aufgrund familiärer Gründe während der ich in der Industrie tätig war und Erfahrung in der Personalführung gesammelt habe. Die letzten 27 Jahre meiner Berufstätigkeit war ich in einem Klinikum tätig.

Welche Erfahrungen haben Sie in der Klinik gemacht?

Zunächst habe ich in der Radiologie und Strahlentherapie gearbeitet, wo man einerseits mit allen Fachrichtungen, andererseits speziell mit Krebskranken konfrontiert wird. Die Onko-Psychologie war zwar damals noch nicht offiziell eingeführt, hat mich aber in meiner Arbeit sehr beschäftigt. Die Gespräche mit Angehörigen waren zeitlich kaum leistbar. Ich habe immer wieder auf die Notwendigkeit der psychologischen Betreuung hingewiesen, was vom Chefarzt aber ignoriert wurde. Schon damals war die Notsituation in Kliniken, die mangelnde adäquate Betreuung von Patienten aufgrund dünner Personaldecke spürbar. Das war sehr belastend.

Ich habe mich dann in das Chefsekretariat einer anderen Abteilung versetzen lassen und habe dort u.a. auch für die neu eingerichtete geriatrische Abteilung Sekretariatsunterstützung geleistet. Da für diese Abteilung kein Sekretariat finanziert wurde, war vieles liegen geblieben. Das betraf auch neurologische Gutachten, die die Entscheidungsgrundlage über einen möglichen Betreuungsbedarf bzw. Heimeinweisungen darstellen. Auch der Neurologe hatte kein Sekretariat und bat mich, für ihn die Gutachten und Arztbriefe zu schreiben. Dafür wurde ich dann separat vergütet. Diese Gutachten sind manchmal bis zu 100 Seiten lang. Das ging nicht während der regulären Arbeitszeit.

Als das Haus in die Insolvenz ging, wurde es von einem kirchlichen Träger an einen privaten Träger verkauft und die Situation hat sich weiter zugespitzt. „Schlimmer geht immer“. Es war wirklich übel.

Der Neurologe, der nicht so schnell mit Gutachten war, die zu einer zwangsweisen Betreuung geführt haben, stand dann im Rahmen der Insolvenz auf der Kündigungsliste. Warum wohl? Er hat Deutschland in Richtung Schweiz verlassen, weil dort die Arbeitsbedingungen besser sind.

Sie sagten, dass Sie der Fall Inna Zhvanetskaya an einen konkreten Fall aus Ihrer Arbeit erinnert hat. War das in der Klinik?

Nein. Das war bei meiner Nebentätigkeit. Da ich mich gerne in der konkreten Hilfe für alte Menschen engagieren wollte, habe ich mich bei einer häuslichen Krankenpflege beworben. Dort wurden alte Menschen nicht nur gepflegt, sondern auch in ihrem Leben begleitet – durch Putzen, Einkaufen gehen oder Fahrten zum Arzt. So lernte ich eine sehr alte Rumänin kennen, die mich stark beeindruckt hat und die man nach ca. drei Jahren Betreuung durch mich unbedingt in ein Heim drängen wollte.

Wie entwickelt sich das?

Die alte Dame, sie war knapp 90 als wir uns kennenlernten, lebte noch in ihrer alten Wohnung. Ich habe mich bei ihr vorgestellt und sie hat von sich erzählt. Sie war mit ihrer Familie aus Rumänien geflohen, ihre beiden Brüder waren aber schon verstorben. Ihr Sohn lebte nicht in der Nähe, konnte sich nicht um die Mutter kümmern. Als wir bei diesem ersten Gespräch feststellten, dass wir beide am gleichen Tag Geburtstag haben, war klar, dass ich für sie da sein sollte. Es war von Anfang an ein gutes Gefühl.

Wie war der Zustand der alten Dame?

Sie war geistig total rege, körperlich altersentsprechend eingeschränkt, hatte aber keine großartigen Gebrechen. Sie kam gut mit ihrem Rollator zurecht, nutzte ihn an schlechten Tagen auch mal in der Wohnung. Sogar zum nahegelegenen Wochenmarkt ist sie an guten Tagen mit Rollator allein gegangen und hat eingekauft. Als 90jährige hatte sie schon ihre recht konkreten Vorstellungen, die aber akzeptabel waren. Ein bisschen stur war sie schon, wollte alte Gewohnheiten nicht wirklich ablegen. Aber auch das war ziemlich normal für ältere Menschen.

In den zwei Besuchen pro Woche habe ich immer engeren Kontakt zu ihr aufgebaut und konnte mir ein Bild über ihre psychische und physische Situation machen. Da sie mir nach und nach mehr vertraut hat, hat sie mir auch von meinen Vorgängerinnen erzählt, mit denen sie nicht zufrieden war. Es gab keine persönlichen Kontakte, keine Ansprache oder Austausch. Das hat sie schon belastet, da sie allein lebte und nicht mehr so leicht vor die Tür kam.

Wollte sie ins Heim?

Definitiv nicht. Sie hat immer gesagt: „Ich gehe nicht ins Heim, ich will bis zu meinem Ende in der Wohnung bleiben“, obwohl ihr das manchmal wirklich schwerfiel. Ich habe mir immer gedacht: „So möchte ich auch alt werden.“ Wir haben wahnsinnig spannende Gespräche über alle möglichen Themen geführt. Sie war wirklich voll orientiert.

Woran konnten Sie das fest machen?

Ich habe viele Erfahrungen in der Klinik machen können, auch durch meine Mitarbeit an den Gutachten, da ich mich mit dem Neurologen immer wieder über die Fälle ausgetauscht habe. Und dann kannte ich sie ja durch die Einsätze bei ihr doch recht gut. Ein typisches Beispiel war der Besuch am Friedhof. Sie wollte das Grab ihres Bruders aufsuchen, traute sich aber nicht alleine hin. Sie war jahrzehntelang nicht dort, da keiner sie begleitet hat. Die Herausforderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln da hinzufahren, war schon heftig. Damals waren nicht alle Ausstiege behindertengerecht. Sie hat das aber gemeinsam mit mir gemeistert und als wir dort ankamen, wusste sie noch genau, wo das Grab lag. Der Hauptfriedhof ist riesig, trotzdem fand sie das Grab sofort. Was mir auch noch in Erinnerung ist: als ich kam, um sie abzuholen, war sie nicht nur toll gestylt gekleidet, sondern auch passend dezent geschminkt und das mit 90! Sie war wirklich geistig top-fit. Trotzdem wollte meine Chefin sie unbedingt in ein Heim bringen.

Wieso das?

Zu den Gründen kann ich nichts sagen, es war aber eine sehr eigenartige Entwicklung seitens meiner Chefin festzustellen.

Inwiefern?

Ich hatte regelmäßig telefonische Kontakte mit ihr. Je länger ich dort tätig war, desto häufiger wurde ich von ihr aufgefordert, keine persönliche Bindung aufzubauen. Sie wollte nicht, dass wir privaten Kontakt haben. Ich habe aber deutlich gemacht, dass genau dieser Kontakt enorm wichtig sei. Da die alte Dame allein war, hatte sie ein großes Bedürfnis zu reden, dem bin ich gerne entgegengekommen.

Nachdem es ca. drei Jahre super funktioniert hat, meinte meine Chefin, ich müsse unbedingt die Pflegestelle wechseln. Darüber sprach sie aber nicht nur mit mir – auch die alte Dame wurde wiederholt telefonisch kontaktiert. Ich hatte den Eindruck, man wollte sie unbedingt dazu bringen zu sagen, sie wolle eine neue Betreuerin. Genau das wollte sie aber nicht. Und auch ich wollte das nicht.

Ich hatte auch den Verdacht, man wollte die alte Dame auf Biegen und Brechen ins Heim stecken, obwohl sie sich massiv gewehrt hat. Es gab aber keine Vormundschaft, die das einfach hätte anordnen können. Trotzdem wurde immer wieder über die Psycho-Schiene argumentiert. Die alte Dame erwähnte wiederholt im Gespräch: „Die sagen alle, ich muss ins Heim – ich will aber nicht ins Heim.“ Der Druck auf sie war wohl immens.

Auch mir wurde gesagt, ich sollte mit ihr darüber sprechen, dass sie in ein Heim umziehen solle. Das habe ich aber verweigert. Im Gegenteil. Ich habe sie bestärkt, dass keine Notwendigkeit für eine Heimunterbringung besteht und ich im Notfall als Zeugin zur Verfügung stehe.

Aber es wurde immer schlimmer. Meine Chefin rief sie an und teilte ihr mit, dass man mich bei jemandem anderen einsetzen werde, ohne mit mir darüber gesprochen zu haben. Das tat sie gleich zweimal, kurz bevor ich in den Einsatz ging. Als ich dann kam, war meine alte Dame völlig verzweifelt. Ich rief die Pflegedienstleiterin an, die aber nur rumdruckste und mich aufforderte, mir die neue Stelle anzusehen. Das habe ich gemacht, den Fall aber dann abgelehnt. So kam es schließlich zur Kündigung, sodass ich die alte Dame nicht mehr betreuen konnte.

Wie ging es mit der alten Dame nach Ihrer Kündigung weiter?

Sie hat es meines Wissens geschafft, sich weiter durchzusetzen, zumindest in den beiden Jahren, in denen ich noch mit ihr in Kontakt stand. Wie es danach weiter ging, weiß ich leider nicht.

Wo sehen Sie die Parallelen zum Fall Inna Zhvanetskaya?

Alte Menschen werden ohne Not ins Heim abgeschoben. Das ging mir durch den Kopf als ich das Video sah, in dem Frau Zhvanetskaya Klavier spielt. Ich sah keine demente alte Dame vor mir, ich sah nichts, was in den Medien als Grund für die Einweisung genannt worden war. Ich sah eine alte Dame, die sich altersentsprechend verhielt und die ihre Eigenheiten hat. So wie ich das in den drei Jahren der Betreuung auch erlebt hatte. Auch meine alte Dame war früher künstlerisch tätig. Als Malerin konnte sie aber im Alter mit dem Pinsel nicht mehr so gut umgehen. Auch sie hatte ihre Eigenheiten, die aber völlig normal waren. Denn das ist mir bei meiner Arbeit in der Geriatrie bewusst geworden: Alte Menschen haben ihre Eigenheiten – das berechtigt aber niemanden, sie gegen ihren Willen in ein Heim umzusiedeln.

Für mich sind das inzwischen moderne Internierungslager. In manchen Häusern werden die Bewohner medikamentös ruhiggestellt, da nicht genug Pflegepersonal für die Betreuung verfügbar ist. Wenn nur ein oder zwei Pflegekräfte im Nachtdienst für 100 Menschen und mehr zuständig sind, geht das kaum anders. Das ist alles, nur nicht menschengerecht. Es braucht Mehrgenerationenprojekte, in denen alle Generationen voneinander profitieren können. Dies entspricht dem Familienbild, ältere Menschen können hier wieder aufblühen, weil sie gebraucht werden, aber gleichzeitig ihr individuelles Bedürfnis auf ein eigenbestimmtes Leben ausüben können.

Und genau das wünsche ich Frau Zhvanetskaya. Ich hoffe, ihrem Anwalt und dem Helferteam gelingt es, eine entsprechende Lösung für sie zu finden.

Danke für Ihre Zeit.


Mein Resümee

Dieser Fall, der nicht tragisch geendet hat, macht deutlich, wie sehr es jeweils auf die individuellen Betreuer ankommt. Während die Betreuerin von Inna Zhvanetskaya wohl alles daran gesetzt hat, ihre Klientin in ein Heim zu verbringen, war Frau Kissel-Steinbeck darum bemüht, genau dieses Ansinnen der Pflegedienstleitung im Sinne ihrer Klientin zu verhindern.

Es gibt zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle, über die nicht berichtet wird. Die mediale Aufmerksamkeit im Fall Inna Zhvanetskaya bietet die Chance, die Situation im Pflegebereich grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Nutzen wir sie!

 

Erschienen bei TKP

 

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