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08.02.2025
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Der letzte Abend und die Rückkehr - ohne Andrea-Erlebnis geht es wohl nicht. Seit Mittwoch bin ich wieder da. Aber es hat gedauert in Raum und Zeit anzukommen. |
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An meinem letzten Abend traf ich mich mit Carmen, die mir das Andrea-Erlebnis #26
verschaffte. Sie holte mich bei meiner Unterkunft ab - damit ich mich in Montevideo nicht verlaufe - und wir fuhren zu einer netten Bar. Und damit ich auf dem Flug auch genügend zu Essen habe, gab es ein Päckchen mit Keksen, Ferrero Rocher und Snacks. Anfang 70 nimmt sie einfach so "Anhalterinnen" mit, damit diese nicht so weit laufen müssen, gibt ihnen ihre Telefonnummer, trifft sich mit ihnen und sorgt für Flugverpflegung. Habe ich es schon mal erwähnt? Die Menschen hier in Uruguay sind einfach unfassbar liebenswürdig.
Der Rückflug war nachgerade ereignislos - es hat alles problemlos geklappt. Aber die Rückkehr war und ist ein echter Kulturschock, an dem ich immer noch knabbere. Die Gleichgültigkeit, die Gier, die Verlogenheit, die Kälte in jederlei Hinsicht waren gleich wieder sehr präsent. Aber ich werde wieder ankommen.
Habe ich mich auf den Urlaub ausreichend vorbereitet? Nein. Wie immer überhaupt nicht. Ich habe es wie immer passieren lassen, mit einer „Notfall-Adresse“ in Atlantida, die ich dann auch besucht habe.
Warum reise ich so?
Weil ich einfach mein eigenes Gefühl für ein Land entwickeln möchte, auf Basis dessen, was ich sehe, höre und rieche – und nicht geprägt durch zu viel gelesenes meine Wahrnehmung beeinflussen lassen will. Klingt vielleicht komisch, mache ich aber seit Jahren so. Meine Planung für 4,5 Monate in Chile 2013 war: „Ich fliege nach Punta Arenas und reise von dort nach Norden“.
So kommt es eben zu vielen unplanbaren Begebenheiten, die sonst nie so passieren könnten.
Ich bin hier einem Mann begegnet „meinem“ Taxifahrer, der mir eine völlig andere Geschichte zur Militärdiktatur erzählt hat, als ich sie bisher kannte. Und er meinte, man könne das nicht oder fast nirgendwo so nachlesen, weil immer die Sieger die Bücher schreiben und die Verlierer dort halt nicht mehr vorkämen. Er habe unter der Diktatur nicht gelitten, habe frei leben können, seine Meinung sagen und die Militärs wären für die große Mehrheit des Volkes sehr gut gewesen und hätten das Land reich und sicher gemacht. Hat er mich angelogen? Sicher nicht. Es bestand kein Grund. Es war seine Geschichte, seine Erfahrungen, seine Sicht der Welt. Auch wenn sich die Geschichte recht komisch anhört, nachdem was ich bisher wusste. Und dass man nicht alle glauben darf, was in Büchern steht, weiß ich auch. Was kann man glauben? Ich konnte nur zuhören.
Viele andere Begebenheiten habe ich ja in den anderen Beiträgen beschrieben. Das eine oder andere touristische Highlight mag ich dadurch verpasst haben. Aber die menschlichen Highlights haben das um ein vielfaches wett gemacht.
Hat sich der Urlaub gelohnt?
Touristisch war die Reise nichts besonderes für mich.
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 | Die Natur ist nicht zu vergleichen mit dem Süden Chiles oder Argentiniens.
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 | Es gibt viel beeindruckendere Großstädte als Montevideo.
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 | Das jüdische Viertel war nicht vorhanden im Vergleich zu New York.
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 | Selbst die schönen Strände sind „nett“, nachdem was ich z.B. in Costa Rica sehen durfte. |
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Bereue ich die Entscheidung? KEINE Sekunde lang.
Was ist für mich das besondere dieser Reise?
1. Ich habe sie gemacht. Trotz gesundheitlicher Voraussetzungen, die eigentlich dagegen sprachen. Und das war in diesem Land leicht möglich. Denn …
2. ich war noch nie – also wirklich noch NIE – in einem Land, wo die Menschen so freundlich, offen, hilfsbereit, spontan, entspannt, flexibel, entgegenkommend, gastfreundlich sind. Die dokumentierten Andrea-Erlebnisse sprechen da ihre eigenen Sprache, aber es waren auch die vielen täglichen Kleinigkeiten. Man wird auf der Straße von Fremden ständig angelächelt und gegrüßt. Autos halten an, damit man gefahrlos die Straße überqueren kann bzw. bieten einem Mitfahrgelegenheit an. Immer wieder heisst es von Fremden: einen schönen Tag – in jedem Supermarkt, in jeder Kneipe – und das nicht um Geld zu verdienen – nein. Ganz authentisch.
Beim Verlassen des Busses bedankt man sich beim Busfahrer. In öffentlichen Klos - Busterminal oder Flughafen, die natürlich kostenlos sind - bedankt man sich bei der Klofrau. Man grüßt auf der Strasse fremde Menschen und lächelt sie an - etwas, was bei uns nur noch im Dorf passiert.
Auch wenn - lt. mehrfacher Aussagen - wohl zwischen 70 und 80% geimpft sind, gab es keine so arge Spaltung in Familien wie bei uns. Die Menschen sind aufeinander angewiesen, halten viel mehr zusammen, helfen einander, helfen auch Fremden - wie man aus meinen ganz praktischen Erfahrungen ja sieht.
3. Das Land ist zwar verdammt teuer, aber einfach zu bereisen. Noch leichter ist es natürlich mit Auto – aber die Busse sind superpünktlich und wirklich günstig. Und es ist relativ flach. 300 Meter gelten hier als Berg :-). Aber an eine Reise durch Peru oder Bolivien auf 2000 oder 3000 Meter höhe hätte ich mich doch nicht herangewagt. Das muss man ab können, körperlich.
Also ich kann Uruguay als Einsteigerland für die Reisen durch Südamerika wirklich empfehlen.
Wo ist der Unterschied zu früheren Reisen? Früher stand ich morgens auch schon mal auf, packte meinen Rucksack ging zum Terminal und schaute wo der nächste Bus hingeht, der in etwa in der geplanten Richtung lang. Und den habe ich genommen, bin am Zielort ausgestiegen, habe mir ein Zimmer gesucht … und das wars. Rucksack abwerfen, los auf die Straße.
Heute überlege ich mir ein paar Tage vorher, wo ich hin will, kaufe spätestens am Abend vorher das Ticket, habe ein Zimmer vor Ort gebucht, eine Adresse, die ich per Taxi anfahren kann – und bin froh, wenn der Tag dann gut überstanden ist und ich am Zielort angekommen bin.
Frau wird halt nicht jünger. Alles geht geordneter und langsamer. Aber: alles GEHT. Ich reise immer noch. Auch weil ich auf Erfahrungen von früher zurückgreifen kann. Darum funktioniert die bequeme Variante ziemlich gut. Auch wenn es mal stressiger wird.
Ein persönliches Resümee
Ich hatte am Tag der Abreise noch Zweifel, ob ich fliegen soll. Sogar am Flughafen noch. Aber ich war vorbereitet.
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 | Alle meine medizinischen Themen hatte ich vorab zusammengeschrieben und auf spanisch übersetzt. Für den Fall der Fälle.
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 | Ich hatte eine gute Krankenversicherung abgeschlossen.
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 | Ich war darauf eingestellt, wenn das mit "im Land rumreisen" nicht gegangen wäre, es mir 4 Wochen in Montevideo am Strand gut gehen zu lassen. |
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Es ging.
Daher möchte ich noch etwas loswerden: Tut die Dinge, die Euch wichtig sind, solange sie irgendwie denkbar sind. Auch wenn sie - eigentlich - nicht vernünftig sind, auch wenn es schwer fällt, auch wenn es nicht das Optimum ist. Ich werde es auf jeden Fall weiterhin tun.
Die Reise hat mir jetzt wieder Teile meines alten Selbstvertrauens wiedergegeben. Ich plane jetzt eine Fahrt nach Berlin. Fast 10 Stunden Flixbus - aber ich weiß, dass ich das hinkriege. Und wenn nicht, wird sich irgendeine Lösung finden :-)
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