01.03.2021

Von Andrea Drescher

Vom Wirtschaftsjuristen zum Staatsterroristen?

 

MEK-/SEK-Einsatz aufgrund von angeblichem „Titelmißbrauch“

 

Am 30.01.2021 wurde beim britischen Unternehmer und Wirtschaftsjuristen Janko Williams in Berlin/Brandenburg eine Hausdurchsuchung und die Durchsuchung der Geschäftsräume durchgeführt – und das in einer selbst in diesen Corona-Zeiten sehr ungewöhnlichen Art und Weise. Denn es war ein mit Maschinenpistolen bewaffnetes mobiles Einsatzkommando (MEK/SEK), das seine Wohnung überfallartig auf den Kopf stelle. Dieser Überfall wurde u. a. von bayrischen Polizeibeamten geleitet und vollzogen. Der richterliche Beschluss zur Ausführung der Maßnahme stammte vom Amtsgericht München. Der Eingriff der Polizei war in vielfacher Hinsicht unverhältnismäßig, die persönlichen und wirtschaftlichen Folgen für den engagierten Friedensaktivisten sind extrem.

Können Sie sich kurz vorstellen?

Ich bin 1985 in Freiburg im Breisgau geboren, habe eine britische Mutter und einen französischen Vater, bin überzeugter Europäer und lebte bis vor kurzem in Brandenburg. Als selbstständiger Datenschutzbeauftragter, Qualitätsmanager, Auditor und Büroleiter einer Anwaltskanzlei habe ich als Wirtschaftsjurist mein Hobby, den Datenschutz, zum Beruf gemacht. In den letzten Monaten standen meine juristischen Kompetenzen aber im Vordergrund. Seit dem 29.8. betreue ich Demonstrationen, engagiere mich für den Verein „Anwälte für Aufklärung“ und unterstütze die Klagepaten. Als Friedensaktivist setze ich mich dafür ein, den Rechtsstaat mit Mitteln des Rechtsstaats wieder herzustellen.

Was wird Ihnen zur Last gelegt?

Laut Durchsuchungsprotokoll ging es um den Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen gem. §132 a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Es ging aber wohl um ganz etwas anderes, das habe ich aber erst ein paar Tage später erfahren. Ich wurde ja Wochen vor diesem Einsatz immer wieder von der Polizei, meist auf der Autobahn, angehalten und meine Personalien wurden überprüft. Da es sich laut Durchsuchungsprotokoll beim Missbrauch von Titeln um ein Delikt mit geringer Strafandrohung handelt, fand ich es völlig unverständlich, dass der Polizeieinsatz in dieser Härte – mit Waffenbedrohung und Sachbeschädigung – durchgeführt wurde. Als ich die Hintergründe kannte, war es mir aber dann klar.

Was sind denn in Ihren Augen die wirklichen Hintergründe für den Einsatz?

Ich habe erfahren, dass das LKA München anonyme Hinweise erhalten hat, dass ich der „Kopf“ eines Planungsteams sei, das ein Attentat auf Herrn Ministerpräsidenten Markus Söder vorbereitet. Als ich das hörte, musste ich erst einmal lachen und fragte mehrfach, ob das der Ernst sei; jetzt war mir zumindest die extreme Form des Zugriffs seitens des MEK/SEK erklärbar.

Wie verlief denn der Zugriff?

Ich hörte gegen 6 Uhr morgens laute Schläge an der Hauseingangstür im Parterre meines Mietshauses in Brandenburg. Zunächst ging ich davon aus, dass unser Vermieter Reparaturen durchführte, doch ca. 45 Minuten später hörte ich laute Schreie und Rufe wie: „Polizei, Polizei!“ im Hausgang. Fast gleichzeitig wurde meine Wohnungstür mit einer Tür-Ramme gewaltsam geöffnet.

Ich sprang aus dem Bett und lief sofort zur Tür. Ca. neun schwer bewaffnete Polizisten stürmten durch die bereits geöffnete Türe auf mich zu und zwei der Beamten hielten mir vollautomatische Maschinenpistolen an Schläfe und Kopf. Innerhalb von Sekunden wurde ich zu Boden geworfen und bekam Handschellen angelegt – und das sehr grob. Ein paar Minuten lag ich nackt und mit Handschellen am Boden, dann platzierten sie mich auf einen Stuhl und ließen mich nackt dort sitzen. Ich erfuhr von einem Beamten, dass es einen Durchsuchungsbeschluss für meine Wohnung gibt, den hatte man aber nicht dabei. Ein Beamter mussten diesen erst aus dem Auto holen.

Sie waren die ganze Zeit nackt?

Ich bat die Polizisten darum, dass man mir doch wenigstens Unterwäsche bringen möchten und eine Decke. Dieser Bitte kam man nach und brachte mir Socken und Unterwäsche, die vom Tag zuvor noch herum lagen. Meinem Wunsch, mir frische Wäsche zu geben, wurde nicht stattgegeben. Zwei Polizistinnen zogen mir die Kleidung an, während ich noch nackt mit Handschellen fixiert auf dem Stuhl saß. So hilflos zu sein und auch noch von zwei Frauen angezogen zu werden.

Ein SEK-Einsatz ist ja nicht gerade alltäglich, was hat das mit Ihnen gemacht?

Ich war in Panik – und bin es zeitweise heute noch. Als Aktivist habe ich auf den Demonstrationen schon viele unangenehme Situationen erlebt, aber das ging weit über das bisher erlebte hinaus. Irgendwie ein „Guantanamo-Feeling“, wenn ich mir diesen Vergleich erlauben darf – gottseidank nur für ein paar Minuten. Es war so erniedrigend, machte mich zum hilflosen Opfer und fühlte sich nach Staatsterror an. Denn ich war mir ja wirklich keiner Schuld bewusst, die soetwas auch nur im Ansatz rechtfertigt hätte. Weggesteckt habe ich das immer noch nicht ganz, möchte auf keinen Fall in meine Wohnung zurück

Wie ging es weiter?

Man teilte mir mit, dass Sprengstoffhunde durch die Wohnung geführt werden, und ich durfte auch einen Blick auf den Durchsuchungsbeschluss werfen, dafür wurden meine Hände frei gemacht. Nach zehn oder 15 Minuten – genau weiß ich es nicht – durfte ich mich selbst anziehen und man brachte mich mit dem Einsatzwagen zum Polizeirevier Luckenwalde für eine erkennungsdienstliche Behandlung.

In Luckenwalde wurde ich etwa 6 Stunden verhört und gegen 12.30 Uhr dann entlassen. Da man mein Handy konfisziert hatte, war es gar nicht so einfach, mich zu organisieren. Ich hatte nur einen Notfallzettel mit wichtigen Telefonnummern aus meinem Portemonnaie, um Freunde bzw. Anwälte zu kontaktieren.

Wurde nur Ihr Handy einbehalten?

Oh nein. Aus meiner Wohnung wurde die gesamte Technik beschlagnahmt, darunter vier Notebooks und Tablets, ca. 10 USB-Sticks, ein Luftgewehr (Erbstück von 1985-1992), meine Sammlung an Mobiltelefonen, darunter zahlreiche Geräte, die älter als 10 Jahre sind, sowie diverse Firmendokumente. Es kam aber noch schlimmer. Die Polizei hat die Passwörter meiner Social Media Konten wie z.B. Xing und LinkedIn abgeändert, sodass ich keinen Zugriff mehr auf meine Konten habe. Auch meine Bankkonten, die durch eine Zweifaktor-Authentifizierung besonders geschützt sind, sind mir jetzt nicht mehr zugänglich.

Können Sie denn überhaupt noch arbeiten?

Dank dieser völlig überzogenen Polizeimaßnahme ist nichts mehr möglich. Ich kann weder meinen Beruf ausüben noch meine Kunden bedienen. Ich komme ja nicht mal mehr an das Geld auf meinen privaten oder geschäftlichen Bankkonten. Ich konnte auch meine Kunden nicht anrufen, um sie über die Situation zu informieren, da mein Mobiltelefon ja beschlagnahmt wurde.
…und die Berliner Bestätigung (Daten red. geschw.)

Mein langjähriger Geschäftspartner hat mir inzwischen bereits mitgeteilt, dass er die Geschäftsbeziehung mit mir aufgrund der Vorkommnisse auflösen werde. Wegen des großen Aufruhrs und der Beschädigungen im Bürohaus gab es inzwischen die Kündigung meines Büros, meine Wohnung kann ich aufgrund der Vorfälle nicht mehr sicher betreten, da ich Angst haben muss, dass bei jedem Geräusch die Tür aufgebrochen wird. Ich fühle mich da einfach nicht mehr sicher.

Das Ganze wurde ja angeblich aufgrund des „Missbrauchs von Titeln“ durchgeführt. Wie konnte es zu so etwas kommen?

Aufgrund meiner Teilnahmen auf Friedensdemonstrationen war ich auch häufig in Bayern aktiv. Dort gab es mit der Polizeiführung in München Diskussionen aufgrund einer Warnweste mit der Aufschrift „Rechtsanwalt“, die ich während einer Demonstration trug. Die Weste war dem Einsatzleiter der Polizei ein Dorn im Auge. Laut seiner Behauptung hätte ich mich durch das Tragen dieser Weste als Wirtschaftsjurist des Titels „Rechtsanwalt“ bemächtigt. Das habe ich nie behauptet – und auch vor Ort gleich richtiggestellt.

Wie haben Sie denn von dem eigentlichen Grund erfahren?

Am 03.02.2021, also vier Tage nach dem Überfall des MEK/SEK in Brandenburg, wurde ich vom LKA in München angerufen. Man bat mich, mich im Gebäude des LKA in München einzufinden, und machte mich im Vorfeld darauf aufmerksam, dass es sich nur um ein Informationsgespräch handeln würde. Da ich dem Ganzen auf den Grund gehen und die Situation mit der Polizei klären wollte, fuhr ich natürlich hin, obwohl ich zugegebenermaßen Angst hatte, was mich erwartet.

Dort eingetroffen, wurde mir dann unverzüglich mitgeteilt, dass man Hinweise habe, dass ich einen Anschlag auf Herrn Söder federführend plane. Die drei Beamten des LKA wollten von mir wissen, ob ich wüsste, wer diese Hinweise gegeben haben könnte. Ich erfuhr, dass man mir derlei Tatbestand nicht zutrauen würde, so ließen es zumindest die Beamten am Ende des Gespräches verlauten.

Also waren anonyme Hinweise Grund für den Überfall?

Offiziell wurde der Polizeieinsatz aufgrund eines richterlichem Beschlusses wegen des „Missbrauchs von Titeln“ veranlasst, doch die Härte der Durchführung des Polizeieinsatzes und insbesondere der Einsatz von Sprengstoffspürhunden legen zwangsläufig nahe, dass die Polizei aufgrund des „anonymen Hinweis“ so vorgegangen ist.

Welche Person oder Organisation der Polizei diesen „Hinweis“ gab – mir stellt sich die Frage: wie rechtfertigen Justiz und Polizeiführung eine derartige Maßnahme, wenn anonyme Informationen dieser Art nicht einmal vorab auf Glaubhaftigkeit geprüft wurden? Da wird ein Mensch ruiniert – weil irgendwer, irgendwas anonym von sich gibt? Haben die denn keinerlei Verantwortungsgefühl?

Sie haben faktisch meine Existenz vernichtet. Keine Wohnung, kein Büro, keine Kommunikationsgeräte, kein Geld. Hätte ich keine Freunde, hätte ich ein großes Problem. Es könnte aber auch ein Einschüchterungsversuch aufgrund meiner politischen Aktivitäten sein. Wenn man an meiner Person ein Exempel statuiert, schüchtert das vielleicht andere ein. Damit wir nicht noch mehr werden auf der Straße.

Wie kommen Sie darauf?

Laut einer Analyse zweier mit mir befreundeter Polizisten sieht die Handlungsweise der Verantwortlichen des Einsatzes nach einer absichtlich einschüchternden Taktik aus, da der gesamte Einsatz mehr als unverhältnismäßig und brutal war. In ihrer Analyse haben sie u.a. festgestellt, dass im Idealfall mit der Ramme direkt auf dem Schließ-Zylinder geschlagen und eine Haustür eines Mehrfamilienhauses definitiv so leise wie möglich geöffnet wird, um den Terrorverdächtigen nicht vorzuwarnen. Es sei denn, es gibt einen Grund, das nicht zu tun. In diesem Fall hätte ich als Terrorist 30-45 Minuten Zeit gehabt, Beweismittel zu vernichten, Komplizen zu warnen, zu flüchten, einen Angriff vorzubereiten oder mich selbst zu töten.

Aus Sicht der einsatzerfahrenen Polizisten sieht es nach geplanter Unfähigkeit nach dem Muster von Staats-Terrorismus aus, um friedliche Aktivisten, die Herr Söder bereits als „Corona RAF“ bezeichnete, zu schädigen.

Lassen Sie sich einschüchtern?

Sicher nicht. Auch und gerade weil ich durch diese Situation traumatisiert bin und etwas dagegen tun muss. Jetzt gerade. Eine entsprechend juristische Aufklärung dieses Skandals wird folgen, das ist alles schon in Vorbereitung.

Kann man Sie dabei unterstützen?

Ja. Aufgrund meiner beruflichen Situation bin ich auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um die Gerichts- und Anwaltskosten zu stemmen. Wer mich unterstützen will: das Spendenkonto lautet auf Janko Williams und hat die IBAN: DE49 1001 0010 0967 4501 22.

Danke für Ihr Engagement!

Zum Schluß: Ein Versuch zur Objektivierung

Da die Subjektivität bei Betroffenen nie auszuschließen ist, habe ich mich an die Pressestellen verschiedener an dem Fall beteiligten Behörden gewendet, um etwaige persönliche Befangenheit und Überreaktionen zu klären. Kontaktiert wurden das Polizeipräsidium Berlin, Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft in München sowie die Polizeibehörde und das LKA in München. Unter Angabe der Geschäfts- und Aktenzeichen der involvierten Behörden wurden der Einsatz, Einheit und Anzahl der Polizeibeamten, die Nutzung der Waffen sowie die Verantwortlichen des Einsatzes hinterfragt. Auch wurden die Pressestellen um Stellungnahmen ihrer jeweiligen Dienststelle gebeten.

Die Reaktion war leider unergiebig. Sämtliche Polizeibehörden gaben an, keine Angaben zu machen – und das mit unterschiedlicher Begründung.

Von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Berlin kam als Begründung, dass „sich die Polizei Berlin nicht zu dem Einsatz des LKA Bayern äußert“.

Ludwig Waldinger, Erster Kriminalhauptkommissar beim Bayerischen Landeskriminalamt verwies auf „ein laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I. Man solle sich mit Anfragen dorthin zu wenden. Auch die Generalstaatsanwaltschaft verwies auf diese Behörde.

Franziska Hihler zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Besondere Pressearbeit beim Polizeipräsidium München teilte mit, dass „Anfragen und Fragen dieser Art können unsererseits mit Blick auf den Persönlichkeitsschutz aus datenschutzrechtlichen Gründen (sowie wo gegeben bei laufenden Verfahren) grundsätzlich nicht beantwortet werden.“ und verwies ebenfalls an die zuständige Staatsanwaltschaft.

Seitens der Staatsanwaltschaft kam innerhalb von zwei Stunden von der OStAin Anne Leiding die berechtigte Nachfrage nach meinem journalistischen Hintergrund. „Da ich ausschließlich ausgewiesenen Journalisten Auskunft zu etwaigen Verfahren der Staatsanwaltschaft München I geben darf, darf ich Sie zunächst um einen Scan von Vor- und Rückseite Ihres aktuellen Pressausweises und den Nachweis von Publikationen bitten.“ Dieser Aufforderung kam ich direkt nach, übermittelte einen Scan sowie den Verweis auf meinen Blog, in dem ein Teil meiner Publikationen der letzten 5 Jahre zu finden sind. Leider gab es bis Redaktionsschluß der vorliegenden Ausgabe des Demokratischen Widerstands keine weitere Kontaktaufnahme.

Die vorliegenden Fotos der Wohnungstür von Janko Williams sprechen eine deutliche Sprache. Für eine normale Hausdurchsuchung, falls so etwas im Rahmen eines „Titelmißbrauchs“ überhaupt angemessen ist, klingeln Beamten vermutlich an der Tür. Zumindest in einem demokratischen Rechtsstaat.

Anm. d.Red.:

Nach Redaktionsschluss kam der Redaktion des Demokratischen Widerstands noch eine Stellungnahme der Oberstaatsanwältin Anne Leidig -Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München I- zu: »Zu dem polizeilichen Einsatz und etwaiger Polizeitaktik können wir uns natürlich nicht äußern, aber zu dem von uns geführten Verfahren gegen den Beschuldigten W.. Wir ermitteln hier wegen des möglichen Verdachtes des Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen.«

Es muss die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahme gestellt werden.

Zuerst erschienen im Demokratischen Widerstand

 

Erschienen bei Frische Sicht

 

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