13.10.2020

Von Andrea Drescher

Der Mangel an Mut

 

Viele Hausärzte glauben insgeheim nicht mehr an die Richtigkeit der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen – doch schweigen aus Angst um ihre Existenz.

 

Seit Beginn der Corona-Krise melden sich nach und nach mehr Ärzte zu Wort und berichten lautstark über ihre Zweifel an den Maßnahmen gegen die mutmaßliche Pandemie. Aber noch sind es viel zu wenige, die den Mut haben, sich öffentlich zu äußern. Aussagen wie „Bei uns in der Klinik glaubt keiner, dass das, was die Regierung macht, richtig ist“ sind keine Seltenheit — um im nächsten Moment zu hören: „Aber bitte zitiere mich nicht mit Namen.“ Das führt dazu, dass die einzelnen Aktiven zunehmend unter Druck gesetzt werden; einzelne Ärzte haben bereits ihre Anstellung beziehungsweise ihre Approbation verloren. Dr. Carola Javid-Kistel gehört zu diesen Aktiven und hat erste Auswirkungen ihres Handelns bereits zu spüren bekommen. Was sie nicht davon abhält, trotzdem weiterzumachen, wie sie im Interview mit Andrea Drescher erzählt.

Andrea Drescher: Frau Dr. Javid-Kistel, können Sie sich kurz vorstellen?

Dr. Javid-Kistel: Ich kam 1966 in Gardelegen in Sachsen-Anhalt zur Welt und habe inzwischen drei erwachsene Kinder und vier Enkel. 1985 begann ich mein Studium der Humanmedizin an der Leipziger Universität. Ich war massiv unzufrieden mit der Situation in der DDR. Wir haben in einer Diktatur gelebt, ohne Pressefreiheit, Meinungsfreiheit oder Reisefreiheit. Ich habe damals nicht an den friedlichen Wandel geglaubt.

Noch im September 1989 flüchteten mein Mann, meine 11 Monate alte Tochter und ich in unserem Trabbi über Ungarn in die BRD, wo ich ab April 1990 mein Studium an der Georg-August-Universität in Göttingen fortsetzen konnte. Schon während meiner schulmedizinischen Ausbildung belegte ich Vorlesungen und Seminare für Homöopathie, die am Klinikum Göttingen regelmäßig angeboten wurden. Aufgrund von schwerem Asthma, zahlreichen Allergien und ständiger Infektanfälligkeit wurde ich selbst homöopathisch behandelt und vollständig geheilt. Durch diese Motivation absolvierte ich noch eine dreijährige Zusatzausbildung Homöopathie für Ärzte und betreibe seit 1998 meine eigene homöopathische Privatpraxis in Duderstadt. Neben Homöopathie nutze ich weitere Naturheilverfahren, um Patienten möglichst schonend und nebenwirkungsfrei zu behandeln.

Warum eine Privatpraxis?

Da Homöopathie keine Kassenleistung ist, habe ich keine Kassenzulassung beantragt. Das ist jetzt ein ganz großer Vorteil, man kann mir also nicht mit Entzug der Zulassung drohen und nur bei schweren Fehlern gegenüber meinen Patienten die Approbation entziehen.

Wie stehen Sie zur Schulmedizin?

Sie ist für mich unverzichtbar in der Diagnostik und kommt auch immer dann zum Einsatz, wenn weder die Homöopathie noch die Naturheilverfahren ausreichen, um die Selbstheilungskräfte entsprechend anzuregen. Dann kommt — wenn auch sehr sehr selten — zum Beispiel ein Antibiotikum oder ein Schmerzmittel zum Einsatz. Impfen dagegen lehne ich inzwischen komplett ab.

Warum?

Anfänglich habe ich auf ausdrücklichen Wunsch von Eltern noch einige Kinder nach dem 3. Lebensjahr geimpft — gegen ausgesuchte Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus und Polio. Es kam aber mehrfach danach zu allergischen Reaktionen, sodass ich dann vollständig davon abgesehen habe. Seit 20 Jahren impfe ich nicht mehr, denn ich habe inzwischen Tausende Patienten mit schweren Impfschäden in der Praxis behandelt, aber niemanden, der durch Nicht-Impfen irgendwie zu Schaden gekommen ist. Darum bin ich auch im Netzwerk Impfentscheid Deutschland aktiv.

Was bedeutet für Sie „aktiv"?

Seit die Entscheidung zur Masern-Impfpflicht 2019 anstand, engagiere ich mich für das Netzwerk, war bei der ersten großen Demo im September 2019 in Berlin als Rednerin mit dabei und seitdem regelmäßig auf der Straße. Und das hat sich seit Beginn von Corona noch intensiviert.

Auch hier die Frage nach dem Warum:

Ich sehe die vielen sinnlosen Tests, die sinnlosen Quarantänemaßnahmen, den sich abzeichnenden Impfzwang bei Covid-19 und insbesondere die gesundheitlichen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Folgen, die durch die Maßnahmen verursacht werden. Das kann ich als verantwortungsbewusste Ärztin nicht mittragen. Es war ein fließender Übergang. Die Demonstrationen gegen die Masern-Impfpflicht gingen bis Ende Februar 2020, dann bestand ja Versammlungsverbot, und seit April demonstriere ich jede Woche meinen Widerstand gegen die Maßnahmen auf der Straße.

Sind die Demonstrationen Ihre Hauptaktivität?

Ja und nein. Ich habe in der Nähe von Göttingen den impfkritischen Elternstammtisch mit 155 Menschen aufgebaut. Auf den Demonstrationen gibt es natürlich zusätzlich Informationsstände, um die Menschen systematisch aufzuklären. Ich bin als Rednerin, teilweise als Sängerin und Organisatorin aktiv und versuche so viele Menschen wie möglich zu erreichen.

In Hannover habe ich zunächst bei „Wir Wachen Auf Hannover“ mitgearbeitet, habe dann mit dem „Walk To Freedom Hannover“ zusätzlich eine regelmäßige bewegte Demonstration ins Leben gerufen, da man mehr Menschen bei Märschen begegnet als bei reinen stationären Kundgebungen. Jeden Samstag von 15 bis 18 Uhr ist „Walk To Freedom“ in Hannover unterwegs, jeden Montag spazieren wir im Eichsfeld — mal in Heiligenstadt, vorher auch in Leinefelde.

In Berlin war ich am 1. und am 29. August 2020 als Sprecherin für das Netzwerk Impfentscheid auf Truck 2 beziehungsweise Truck 4 aktiv — wobei der Demonstrationszug am 29. rechtswidrig aufgelöst und ich anschließend auch verhaftet wurde. Meine Antwort mit vielen anderen Aktiven ist nun der Schweigemarsch am 10. Oktober 2020 — da bin ich gespannt, ob sie uns wieder boykottieren.

Sie wurden verhaftet? Warum denn?

Es war die erste Verhaftung meines Lebens. Ich war äußerst verärgert, dass sie uns eingekesselt hatten und wir nicht starten durften. Obwohl wir uns an die Regeln hielten, wurden wir in die Passivität gedrängt. Dafür war ich nicht nach Berlin gekommen. Ich wurde daher mit einigen anderen vom Walk To Freedom aktiv und meldete gemeinsam mit meinem Kollegen und Freund Rolf Kron eine Spontandemo an. Natürlich keine Demo gegen die Corona-Maßnahmen, das war ja rechtlich nicht zulässig, sondern eine Demo für unser Recht auf medizinische Selbstbestimmung und freie Impfentscheidung.

Das wurde uns auch mündlich von den Verantwortlichen bei der Polizei genehmigt, und wir sind mit unserem Bollerwagen — mit entsprechender Demotechnik drauf — losgezogen. Das hat die Menschen im Kessel wieder aktiviert, und es wurden Sprüche wie „Freiheit“, „Wir sind das Volk“ oder „Schließt euch an“ skandiert. Ich habe sehr viel gesprochen und habe die Gruppe quasi mit anderen Kollegen angeführt.

Das führte dazu, dass ich ganz gezielt von der Polizei aus der Menge rausgezogen wurde. Das ging ganz schnell, sie kamen von hinten und haben mich in Gewahrsam genommen. Dass es gezielt gegen mich ging, konnte ich anschließend verschiedenen Videos entnehmen. Ich habe zwar laut protestiert und nicht klein beigegeben, aber sie haben mich zu einer Außenstelle der Polizei am S-Bahnhof Friedrichstraße gebracht, wo ich erkennungsdienstlich behandelt wurde. Auch ein Alkoholtest wurde durchgeführt — warum auch immer. Sie haben unsere gesamte Technik konfisziert und bis jetzt auch nicht zurückgegeben. Welche Beweissicherung man an unseren Boxen, dem Mischpult und den Mikros vornehmen will, erschließt sich mir nicht ganz; ich sehe es daher als reine Schikane, mit der sie letztlich eine weitere Spontandemo vermeiden wollten.

Über den gegen mich erhobenen Tatvorwurf, die Durchführung einer unerlaubten Demo, habe ich aber bis jetzt noch keinen schriftlichen Bescheid erhalten, was laut meines Anwaltes innerhalb von 14 Tagen hätte erfolgen müssen.

Also gab es für Sie keine negativen Konsequenzen aus der Verhaftung?

In diesem Fall bis jetzt noch keine. Meines Wissens wurde hier kein Verfahren eröffnet.

Läuft denn gegen Sie bereits ein Verfahren?

Ja. Inzwischen sind es schon zwei. Im April wurde ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren von der Ärztekammer Niedersachsen aufgrund von angeblich unsachgemäßer Ausstellung von Impfunfähigkeitsbescheinigungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene eröffnet. Mir wird vorgeworfen, dass das nicht mit der notwendigen ärztlichen Sorgfalt erfolgt sei, ich also Gefälligkeitsatteste ausgestellt habe. Dies ist aber nicht der Fall. Jeder Patient wird ausführlich untersucht in der Praxis, ich nehme mir sehr viel Zeit für die Anamnese. Aber auch das Verfahren hängt derzeit in der Luft. Nach zwei schriftlichen Widersprüchen meinerseits kam es zu keiner weiteren Reaktion.

Seit September läuft ein polizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Ausstellung von Maskenschutzattesten ohne ausreichende Prüfung — was auch nicht stimmt. Mein Eindruck ist, sie wollen die Ärzte mundtot machen — damit andere Ärzte nicht riskieren, Widerstand zu leisten. Das Spannende hier ist, dass ich über dieses Verfahren bis dato nicht offiziell informiert wurde. Eine Mutter, die ich persönlich gut kenne, hat mich zuerst darüber informiert. Drei ihrer Kinder wurden gezielt Mitte September aus dem Schulbus herausgeholt, weil sie über Atteste verfügen, die ich ausgestellt hatte. Auch im Radio habe ich bereits hören dürfen, dass man „gegen diese Ärztin wegen falscher Maskenatteste ermitteln würde“.

Haben Sie keine Angst vor den Konsequenzen?

Für mich persönlich nicht. Ich bin kein ängstlicher Mensch, sonst hätte ich mich schon lange zurückgezogen. Wovor ich Angst habe, sind Haus- beziehungsweise Praxisdurchsuchungen, was sie schon bei zwei Ärzten in Offenbach und einer Ärztin in Süddeutschland durchgezogen haben. Schließlich geht es um sensible Patientendaten. Es geht um meine ärztliche Schweigepflicht, die Diagnostik, die nur Patient und Arzt kennen sollten — was in einem Rechtsstaat selbstverständlich sein sollte. Das wird gerade alles ausgehebelt. Ich hatte schon Albträume, dass ich morgens in die Praxis komme und alles ist leer. Aber es gibt ja Gott sei Dank noch positive Erfahrungen.

Inwiefern?

Am 3. Oktober 2020 habe ich in meiner alten Uni-Stadt Leipzig an einer Demonstration teilgenommen. Dort war kaum Polizei präsent, wir konnten unbehelligt durch die Stadt gehen und ebenso unbehelligt die Abschlusskundgebung durchführen. Die Polizei war freundlich und kooperativ. Diese Erfahrung war dringend notwendig, um nicht ständig an die „schlechten alten Zeiten“ erinnert zu werden.

Schlechte alte Zeiten – woran denken Sie dabei?

Ich habe mich in der DDR schlecht und komplett entmündigt gefühlt, darum sind wir nach Ungarn geflohen. Aber das, was wir jetzt erleben, ist viel schlimmer. Dieses als Infektionsschutz getarnte Ermächtigungsgesetz, das Denunziantentum und die Mitläufer. Wir haben in der Schule sehr viel über die Nazi-Zeit gelernt — ich habe zudem auch später sehr viel darüber gelesen —, und die Parallelen sind nicht zu übersehen. Das will ich nicht. Ich habe das Bedürfnis, wieder zu fliehen, aber wohin? Also muss ich hier etwas ändern. Das Erschreckende ist eine weitere Parallele: Viele Menschen haben 1933 gedacht, es wird schon nicht so schlimm werden. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie schlimm es tatsächlich werden würde. Und heute glauben auch wieder viele, dass es nicht schlimmer kommen kann.

Aber es gibt schon Länder mit Quarantäne-Lagern. In Deutschland kann man Eltern die Kinder wegnehmen, wenn die häusliche Quarantäne nicht minutiös eingehalten wird. Eine mögliche nächste Stufe in Deutschland kann man bereits in Australien beobachten — da werden Kritiker ins Gefängnis gesteckt, auf der Straße verprügelt, die Polizei dringt in Wohnungen ein, auch Zwangsimpfungen sind nicht ausgeschlossen. Es kann also auch hier noch viel schlimmer werden. Aber dessen sind sich viele noch nicht bewusst. Über Zwangsimpfungen wird ja auch bei uns diskutiert, man nennt sie zwar nicht so, aber über Berufsverbote ohne Impfung und Ähnliches wird bereits laut nachgedacht.

Haben Sie berufliche Probleme?

Ja, ganz ungewöhnliche: Dank der Rufschädigung habe ich mehr neue Patienten, als ich bewältigen kann. Es kommen Anfragen über Telefon, Mail, Telegram und Whatsapp. Früher hatte ich eine kleine beschauliche Privatarztpraxis, von der ich gut und entspannt leben konnte. Jetzt arbeite ich fast nur noch am Limit. Dazu kommt, dass das ganze normale Freizeitleben nicht mehr vorhanden ist. Keine Auftritte mit unserem Gospelchor, kein Kino, kein Theater, keine Konzerte, auch das Reisen ist massiv eingeschränkt. Erholung — speziell mental — ist bei momentan zwei Demos pro Woche auch nicht ganz einfach. Aber die positiven Reaktionen der Patienten zeigen mir auch, dass es den Einsatz wert ist.

Das heißt, Patienten teilen Ihre Haltung?

Ja, die meisten Patienten schätzen die Situation ähnlich ein wie ich. Es gab nur sehr wenig Kritik, aber keiner von den Kritikern lässt sich deswegen nicht mehr von mir behandeln. Viele klagen mir ihr persönliches Leid, das durch Corona verursacht wurde. Das belastet mich natürlich auch. Was mich erschreckt ist, wie sehr sich mein Einzugsbereich als Ärztin vergrößert hat. Früher fuhren Patienten ein bis zwei Stunden, um zu mir in die Praxis zu kommen. Jetzt sind es bis zu sechs Stunden Anfahrt. Patienten kommen aus dem Allgäu, aus Ostfriesland, aus dem Ruhrgebiet oder Sachsen bis zu mir in die Praxis. Kürzlich kam eine Mutter extra aus Bremen angereist, um eine Vorsorgeuntersuchung bei ihrem Kind durchführen zu lassen.

Warum verhalten sich so wenige meiner Kollegen wirklich verantwortungsbewusst? Warum findet man keinen Arzt in der Nähe, der einem wohlwollend und empathisch zuhört und sich Zeit für seine Patienten nimmt? Und warum gibt es nicht mehr Ärzte, die den Mut haben, gegen den Strom zu agieren?

Die letzte Frage ist doch eine entscheidende Frage, nicht wahr?

Auf jeden Fall. Gäbe es mehr Ärzte, die den Mund aufmachen, könnte man einzelne von uns nicht unter Druck setzen. Man kann nicht 30, 40 oder 50 Prozent der Ärzte die Approbation entziehen, das würde zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems führen, was die Politiker nicht verantworten könnten.

Wie schätzen Sie die Zukunft ein?

Das ist schwer zu sagen. Am 3. Oktober nach Leipzig war ich wieder optimistischer. Die Bilder Ende August in Berlin, die Reisebeschränkungen und Verschärfungen der Maßnahmen machten mich zuvor ein bisschen pessimistisch. Die Verhaftung von Heiko Schöning in London vor kurzem ist auch kein gutes Signal gewesen. Und ich kenne leider schon eine Reihe von Ärzten, die aus purer Angst inzwischen keine Maskenatteste, Impfunfähigkeits- oder Schulpflichtbefreiungsbescheinigungen mehr ausstellen. Die Menschen lassen sich nötigen und erpressen. Ich glaube und fürchte, wir müssen diesen Herbst unbedingt noch den Durchbruch schaffen, wenn wir nicht in eine totale Diktatur münden wollen. Ich hoffe und bete sehr, dass wir es schaffen. Darum bin ich weiter aktiv.

Danke für Ihren Mut — machen Sie weiter! Wir sehen uns auf der Straße!

Quellen und Anmerkungen:

Dr. Carola Javid-Kistel ist Mitherausgeberin des Buchs „Krank geimpft - Betroffene erzählen: Wenn der Beipackzettel wahr wird…“, das Impfgeschädigten eine Stimme gibt. Die vorliegenden Leidensgeschichten werden durch ärztliche Kommentare abgerundet, so dass persönliche Erfahrungen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen verbunden werden. Der Ertrag aus dem Taschenbuch mit der ISBN 9783941567900 kommt Impfgeschädigten und dem Netzwerk Impfentscheid zugute.

 

Erschienen bei Manova

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