20.10.2020

Von Andrea Drescher

Raus aus der Falle

 

Auch 2020 kann man noch erfolgreich demonstrieren, wie der Berliner Schweigemarsch am 10. Oktober zeigt.

 

Der Schweigemarsch gegen die Corona-Maßnahmen vom 10. Oktober in Berlin war nicht zuletzt eine Reaktion auf die Auflösung des Demonstrationszuges am 29. August, bei dem die Teilnehmer durch Einkesselung seitens der Polizei daran gehindert wurden, die Mindestabstände einzuhalten. Darum haben sich die Veranstalter des Schweigemarschs auch einiges einfallen lassen, um eine Auflösung aufgrund der Nichteinhaltung juristischer beziehungsweise versammlungsrechtlicher Vorgaben auf jeden Fall zu verhindern. Es ging darum, diesmal das System mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und trotz des Widerwillens der Behörden, Gegner der Corona-Maßnahmen in Berlin demonstrieren zu lassen, einen Demo-Zug überhaupt in Gang zu setzen.

Alle waren eingeladen, gemeinsam für die Wiederherstellung der Rechte mitzulaufen. Es wurde aber klar aufgefordert, Flaggen, Schilder, Banner sowie Kleidung mit Parolen, Organisationen, Vereinen und Symbolen et cetera zu Hause zu lassen. Auch wurde klar kommuniziert, dass aufgrund der Anordnungen im Kooperationsgespräch mit der Versammlungsbehörde ein Start der Demonstration nur mit Mund-Nasenschutz möglich sei.

Laut Polizeibericht kamen einige tausend Demonstranten, Norbert Häring schätzt, dass es bis zu 30.000 Teilnehmer waren. Seitens der Veranstalter gibt es keine offiziellen Angaben, die Wahrheit liegt wohl innerhalb dieses Rahmens.

Die Vorbereitung vor der Demonstration
Es begann mit der Anmeldung der Veranstaltung, die ausschließlich von Privatpersonen organisiert war, darunter auch zahlreiche Menschenrechts- und Friedensaktivisten. Der Titel wurde so gewählt, dass der Demonstration nicht gleich der Stempel „Corona-Gegner“ aufgedrückt werden konnte. Die Bestätigung per E-Mail kam schnell und die Vorbereitungen konnten beginnen.
Als Tage vor der Veranstaltung noch immer keine schriftliche Bestätigung vorlag, brachte Rechtsanwalt Ralf Ludwig noch einen Eilantrag bei Gericht ein, um zu gewährleisten, dass es zu keinerlei Störungen seitens der Exekutive kommen würde. Laut Gerichtsurteil hat die Polizei schriftlich bestätigt, dass Kooperationsbereitschaft besteht und man den Demonstranten ausreichend Raum für die Aufstellung des Demonstrationszuges geben würde, sodass keine Probleme zu erwarten waren. Einzige Vorgabe war die Umsetzung des ausgefeilten Hygienekonzeptes der Veranstalter sowie die Einhaltung der Berliner Hygieneschutzvorgaben, wonach bei Veranstaltungen ab 100 Personen eine Mundnasenbedeckung vorgeschrieben ist. Es wurde auch zugesagt, dass es bei Maskenbefreiungen mit gültigem Attest keine Platzverweise geben werde, so dass auch Menschen mit einer entsprechenden Einschränkung ihr Recht auf Demonstration wahrnehmen könnten.

Alle Beteiligten sahen dem Tag mit Freude entgegen, nachdem Ralf Ludwig diese Informationen seitens des Gerichts noch am 9. Oktober per Video kommunizierte. Gerade für gesundheitlich angeschlagenen Menschen wäre eine Teilnahme mit Maske eine große Herausforderung gewesen – der sich diese jetzt aber nicht stellen mussten.

Um etwaige Probleme mit einzelnen, weniger gut informierten Polizisten zu vermeiden, wurde seitens der Veranstalter entschieden, den Zug in mehreren Blöcken aufzustellen. Im ersten Teil sollten ausschließlich Frauen mit Masken mitmarschieren, im zweiten Teil Männer, Frauen und Kinder, die bereit waren, eine Maske zu tragen und im dritten Teil sollten Menschen mit gültiger Maskenbefreiung den Zug abschließen. Um juristische Diskussionen mit den Verantwortlichen seitens der Polizei gewachsen zu sein, wurden die Veranstalter am Anfang des Zuges durch Rechtsanwalt Ralf Ludwig und am hinteren Teil des Zuges durch Rechtsanwalt Markus Hainz und weitere Anwälte begleitet.
Was sollte da noch schief gehen?

Die Vorbereitung vor Ort
Ab 9.00 Uhr trudelten nach und nach am Adenauerplatz die Ordner ein. Dort hatte man ein frühes Ordnertreffen angemeldet, um das Briefing der Unterstützer durchzuführen, die den ordnungsgemäßen Ablauf des Zuges gewährleisten sollten. Ab 10.00 Uhr sollte der Bereich des Kurfürstendamms durch die Polizei abgesperrt werden, der für die Aufstellung vorgesehen war. Geplant war, den Zug von bis zu 20.000 möglichen Teilnehmern vom Adenauerplatz bis Hallensee aufzustellen, um so von Anfang an für die Einhaltung der Mindestabstände zu sorgen.

Leichte erste Irritationen kamen auf, als gegen 10.00 Uhr noch keine Polizei zu sehen war, trotzdem wurden die ersten ankommenden Teilnehmer gebeten, sich in Richtung Aufstellungsbereich zu begeben und links und rechts vom Kurfürstendamm auf den Bürgersteigen zu warten.

Als die Polizei schließlich anrückte und mit weiterer Verzögerung Kontakt zu den Anmeldern der Veranstaltung aufnahm, kam als erstes die Frage nach der Absperrung am Adenauerplatz. Angeblich sei der Sammelpunkt für den Demonstrationszug ja dort angemeldet worden – was in keiner Form dem Hygienekonzept entsprach. Die Konzentration von 20.000 Menschen hätte am Adenauerplatz zu massiver Überfüllung gesorgt, was zur Nichteinhaltung der Mindestabstände geführt und Grund für einen Abbruch geliefert hätte.

Auch Teilnehmer, die bereits auf den Bürgersteigen warteten, wurden von der Polizei aufgefordert, sich wieder Richtung Adenauerplatz zu begeben, was aber von den meisten verweigert wurde, weil ja bekannt war, dass die Aufstellung am Kurfürstendamm geplant war.
Die Erfahrung vom 29. August ließ Böses erahnen. Es „roch“ nach einer erneuten Falle.

Dem Eingreifen von Ralf Ludwig, der für Ruhe sorgte und unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtes dem Einsatzleiter klar machte, wie die Rechtslage aussah, war es zu verdanken, dass die Falle diesmal nicht zuklappte. Alle Anwälte hatten das Urteil am Handy, der offensichtliche Versuch, die ordnungsgemäße Aufstellung zu unterbinden, scheiterte.

Die Aufstellung konnte endlich beginnen und als absehbar war, dass die Fläche aufgrund der Teilnehmeranzahl nicht ausreichen würde, zeigte sich die Polizei wieder von ihrer kooperativen Seite und gab die zweite Fahrbahn zur Aufstellung frei. Mit Zollstock wurden die Teilnehmer ausgerichtet – die Abstände wurden sichtbar genau eingehalten und der Zug bot ein fast militärisches Bild, da die Mehrheit der Teilnehmer auch einheitlich schwarzen Masken trug.

Das Resultat der Demonstration

Der Demonstrationszug begann pünktlich um 11.59 Uhr, verlief ruhig und friedlich und endete wie geplant an der Siegessäule mit einer Schweigeminute und der fachgerechten Entsorgung der Masken in den vom Veranstalter bereitgestellten Tonnen.
Für Maskenfreiheit mit Maske zu demonstrieren, erschien vielen Gegnern der Corona-Maßnahmen inakzeptabel, sodass es im Vorfeld immer wieder zu Anfeindungen kam. Das Motto des Schweigemarsches „Wir müssen reden, es ist alles gesagt“ wurde anfangs ebenfalls nicht von jedem verstanden. Der Marsch hat jedoch in jeder Hinsicht die von den Veranstaltern erhofften Ziele erreicht.

Er fand statt. Es ist erschreckend, dass ein derartiges Ziel in einem „Rechtsstaat“ gefeiert werden muss.
Er konnte dank erfahrener Anwälte und Hygienekonzept nicht unterbunden werden - auch wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass das seitens der Behörden zumindest erhofft worden war.
Er machte auf beeindruckende Art und Weise deutlich, dass man Menschen zwar gängeln kann, der Protest aber weitergehen wird.
Die Maske als Symbol des Maulkorbs macht Menschen zwar still, der Protest ist aber auch schweigend nicht zu übersehen. Menschen werden sprachlos, aber nicht wehrlos gemacht, wie eine der Teilnehmerinnen – 74 Jahre alt und mit Rollator unterwegs - es im Nachhinein für sich formulierte.
Von Dirk Pohlmann konnte man im Nachgang auf Telegram lesen, dass es „die gelungenste Aktion gegen die Covid-19-Maßnahmen war, da es vielen aus der schweigenden Mehrheit erlaubt hat, mitzumachen – was die Reichweite des Protests erhöht“ und „die von den Medien geschürten Vor-Urteile nicht bediene und der Diskreditierung entgegen arbeitet“.
Die Zuschauer waren beim Anblick des Zuges irritiert und neugierig zugleich. Der friedliche Protest einer schweigenden Menschenmasse ohne Lärm und Protagonisten, jedoch unter Einhaltung der auferlegten behördlichen Auflagen, hat viele Beobachter nachdenklich gestimmt.

Ein Resümee der Demonstration
Man muss das System mit seinen eigenen Waffen schlagen, friedlich und gewaltfrei. Nur so erreicht man, dass der Protest auf eine breitere Basis gestellt wird und sich mehr Menschen anschließen.
Bei größeren Veranstaltungen ist der Einsatz von Anwälten vor Ort unverzichtbar. Das scheint 2020 der einzige Weg zu sein, Demonstrationen, die vom herrschenden politischen System in Deutschland nicht gerne gesehen werden, auch ungestört durchführen zu können.

Wie man dem Zusammenschnitt von eingeSCHENKt.tv entnehmen kann, teilt am Schluss die Polizei (!) den Demonstranten per Lautsprecher mit, dass diese ihre Masken in den bereitgestellten Containern entsorgen können. Es ist doch eigentlich sehr nett, dass Behördenvertreter sagen, wie man seine Maske los werden kann, nicht wahr?



Man kann das System mit seinen eigenen Waffen schlagen, friedlich und gewaltfrei. Der Schweigemarsch hat gezeigt, dass es möglich ist.
Auch wenn es traurig ist: Es erscheint in Berlin schon fast als Sensation, dass die Grundrechte noch nicht völlig demontiert sind.

 

Erschienen bei Manova

Artikel erschien ebenfalls bei Frische Sicht

 

Zum Überblick Publikationen  

 


Ich möchte informiert werden, wenn's was Neues gibt:

Meine E-Mail-Adresse: